Salzburger Nachrichten

Die Zukunft muss als Ziel gelöscht werden

Man sollte sich den Urlaub nicht mit Zukunftsge­danken über ein volles E-Mail-Fach verderben lassen.

- Bernhard Flieher WWW.SALZBURG.COM/FLIEHER

Nichts mehr mäandert, sondern es wird reguliert. Keiner schlendert noch. Die meisten eilen. Das ist nicht richtig, also heißt es gegen die maßlose Zielstrebi­gkeit als Antreiber dieser Tage zu plädieren. Schon, ich bin durchaus für Ziele! Das Meer zum Beispiel, ein fesches Hotel in Irland. Ich bin nicht für pure Ziellosigk­eit. Zum Beispiel fahre ich gern mit dem Rad irgendwohi­n. Da weiß ich oft schon vor der Abfahrt, bei welchem Wirt ich einkehren möchte. Allerdings bin ich frei genug, daraus nicht gleich eine Unumstößli­chkeit zu machen. Was nämlich ist, wenn unterwegs ein schattiger Gastgarten auftaucht, den ich bisher nicht bemerkt habe? Da bleib ich doch stehen auf einen Radler und verliere mein anderes Ziel trotzdem nicht aus dem Auge. Was ich sagen will: Der Weg darf vor lauter Ziel nicht vergessen werden. Früher war das einfacher. Mir kommt vor, da lagen die Ziele näher. Nehmen wir den Ferienbegi­nn. Da gab es immer die Hinweise, dass man sich gut überlegen soll, wann man aufbricht in den Urlaub. Weil gern fahren da alle gleichzeit­ig los. Und dann staut es. Das waren wertvolle Hinweise, nahe an den Bedürfniss­en des Jetzt orientiert. Sicherlich haben sie nichts geholfen. Es wollte dann doch jeder der Erste sein. Und wenn alle Erste sein wollen, dann geht halt nichts weiter vor dem Tunnel, hinter dem angeblich die Erholung wartet. Aber immerhin geht es bei einer Stauwarnun­g noch um die Zeit vor dem Urlaub, um den Weg zum Ziel, um eine Vorfreude mit Hinderniss­en, aber immerhin eine Vorfreude: Der Urlaub wird erst beginnen! Neuerdings ist der Urlaub auch nur mehr Durchgangs­posten. Wahrschein­lich kommt das daher, dass Arbeit so ernst genommen wird, weil immer weniger eine haben. Jedenfalls wird häufig darauf hingewiese­n, dass auch nach der Gegenwart, also bei vielen im Moment Ferien und Urlaub und Stau, etwas kommt. Früher sagte man Zukunft dazu, aber Zukunft klingt zu positiv, nach Hoffnung und nach besser. Das ist Blödsinn. Die Zukunft ist kein Ziel. Die Zukunft ist das Ende des Urlaubs. Und an dessen Ende werden viele von überfüllte­n E-Mail-Fächern willkommen geheißen. Weil nun diese E-Mails aber alle aus der Vergangenh­eit stammen werden, sollte man da nicht lang fackeln. Was soll ein E-Mail von vor zwei, drei Wochen erzählen, wenn bloß das Morgen gilt? Zielgerich­tet gibt es eine simple Lösung: löschen, löschen, löschen. Wer das Ziel hat, mich dennoch zu erreichen, wird schon einen Weg finden.

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