In sanfte Trauer blicken
Auf dem Salzburger Dom erinnert ein Foto einer alten Frau daran, dass auch im Grauen die Hoffnung nicht untergehen sollte.
Hava heißt die Frau, der man an der Wand des Salzburger Doms ins Gesicht schauen kann. Nun, nicht in die Augen. Die Augen sind in Trauer geschlossen, fast sanft wirkt das Gesicht trotzdem. Darum geht es der Fotografin Claudia Henzler. Sie nahm das Foto der Bosnierin Hava in Srebrenica auf. Als riesiges Plakat auf dem Salzburger Dom erinnert es in den nächs- ten Wochen an das Massaker der dortigen Tragödie.
Srebrenica ist Ort und Synonym eines der ärgsten Kriegsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter den Augen der UNO-Einsatzkräfte töteten serbische Truppen rund 8000 Bosniaken.
Die Salzburgerin Henzler verlässt sich in ihrer Fotokunst nicht auf den Effekt von Blut und Gewalt: „Ich will nicht ein Massaker zeigen: Ich will Menschlichkeit zeigen, vielleicht auch noch in der finstersten Finsternis ein Licht zu finden“, sagt sie. Mehr als das zerfurchte Gesicht der alten Frau Hava ist es denn auch das Spiel aus Licht und Schatten, das ihr Bild so eindrücklich macht.
Henzler orientiert sich am Licht. Das lässt sich zweifach verstehen. Da ist einerseits jenes Licht, das sie für ihre Bilder braucht. Sie spielt extrem mit Licht und Schatten, mit starken Kontrasten. Wo sich Licht und Schatten als dramaturgische Elemente begegnen, erwacht die Emotion. Andererseits bewegt sich Henzler auch inhaltlich an dieser Grenze – da gibt es das dunkle Tragische und das Hoffnungsvolle. Dass Henzler sich mit ihren Bildern nicht im Dunklen aufhalten will, ist keine Flucht aus bitteren Wahrheiten. Stattdessen dokumentiert es den Willen, sich vom Grauen nicht aufhalten zu lassen bei der Suche nach einem anderen, einem friedlichen „Menschsein“.
Unter dieses Motto stellt die Fotografin ihr dreiteiliges „FriedensKunst-Konzept“. 2010 war die Weit- gereiste nach Bosnien-Herzegowina gekommen. Seither arbeitet sie die Eindrücke auf. Einen Workshop gab es schon. Nach der Installation am Dom wird es eine Ausstellung geben. Für die Schwarz-Weiß-Fotodokumentation erhielt Henzler 2012 den Friedenspreis für humanitäres Engagement in der Kunst.
Zunächst war das Aufhängen des riesigen Plakats auch für Srebrenica geplant. Zum Jahrestag des Massakers hätte es gegenüber dem Friedhof als Hoffnung gebende Mahnung hängen sollen. Daraus wurde nichts. Man hatte Angst vor der Erinnerung. „Dass das Gesicht eines alten Mütterchens so gefährlich sein soll“, wundert sich Henzler. Wo aber die Wunden längst nicht ge- heilt sind, werden die Bilder von Opfern durchaus als gefährlich empfunden. Dabei steht Henzlers Sinn nicht nach plakativer Ausbeutung eines Grauens. „Ich will im positiven Sinn aufrütteln“, sagt sie. In ihren Bildern steckt immer etwas Versöhnliches.
So einfach aber geht das gar nicht, weil es auch dazu Genehmigungen braucht. Probleme gab es auch in Salzburg. Sie lagen nicht an einer belasteten, nahen Vergangenheit. Henzler hatte – angeführt von Domprälat Balthasar Sieberer – viele Unterstützer auf ihrer Seite. Bloß die Sachverständigenkommission zur Altstadterhaltung legte sich quer. Da durchlebte die Fotografin – neben einem gewissen Unverständ- nis – auch „Gefühlswelten zwischen Verzweiflung, Wut und Ohnmacht“. Schließlich ließ man sich aber auch in der Sachverständigenkommission umstimmen. Nun also wird man Hava vom Residenzplatz aus beim Trauern zuschauen können. Beim Massaker vor 20 Jahren waren ihr Mann und ihre vier Söhne umgebracht worden.
Entstanden war das Bild anlässlich einer Gedenkfeier vor fünf Jahren. Hava weiß nicht mehr davon, dass sie in Salzburg Symbol für das „Menschsein“wird. Sie ist im Februar im Alter von 81 Jahren gestorben. „Es geht darum, sich zu erinnern – vielleicht können Bilder dabei helfen“, sagt Claudia Henzler über einen Antrieb für ihre Projekte.
„Ich will im positiven Sinn aufrütteln.“