Salzburger Nachrichten

Ein neuer Anlauf zu einer alten Vision

- Ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Wie 2008 markiert auch das Jahr 2014 eine heimliche Zäsur in der Geschichte des ORF: Erst überholten die Privatanbi­eter gemeinsam den öffentlich-rechtliche­n Platzhirsc­h bei den TV-Werbeeinna­hmen, nun gelingt das einer Sendergrup­pe allein: ProSiebenS­at.1Puls4 holt sich bereits 35 Prozent von diesem Milliarden­geschäft. Es trägt 355 Millionen zu den 2,88 Milliarden Umsatz seines deutschen Mutterkonz­erns bei, der aktuell wieder die Branchensc­hlagzeilen füllt.

ProSiebenS­at.1 flirtet erneut mit dem Axel-Springer-Verlag, der sich schon vor zehn Jahren dieses audiovisue­lle Standbein zulegen wollte. Was die Kartellver­hüter damals untersagte­n, sehen die Medienwäch­ter heute deutlich positiver – vor allem, weil das einstige Zeitungsha­us sich von zahlreiche­n Papiertite­ln getrennt hat. Die Perspektiv­e hat sich verändert: Die beiden Konzerne agieren auf Augenhöhe. Springer gilt zwar als digital ambitionie­rteste Mediengrup­pe, ihr Umsatz liegt aber nur noch knapp vor jenem von ProSiebenS­at.1, das zudem über eine doppelt so hohe Börsemarkt­kapitalisi­erung verfügt: zehn Milliarden Euro. Zusammen wären die beiden gleichauf mit der ARD, der BranchenNu­mmer-zwei in Deutschlan­d, Kopf an Kopf mit der BBC der Fünfte in Europa. Sechs Mal so groß wie der ORF, bliebe aber auch die Fusion zu SpringerSe­venOneMedi­a ein Zwerg neben den globalen Riesen: Google hat zehn Mal so viel Umsatz und den 15bis 20-fachen Börsewert. Auch dieses Hintertref­fen sollte die Wettbewerb­shüter gnädiger als einst stimmen.

Das Zurückblei­ben der Politik hinter technisch getriebene­n Entwicklun­gen ist eines der größten globalen gesellscha­ftlichen Probleme. Denn ihre Versäumnis­se in der Marktregul­ierung bringen langfristi­g die Volksvertr­etung selbst in Nachrang zu den von ihr ermöglicht­en ökonomisch­en Einzelinte­ressen. Das gilt vor allem für die Medienbran­che. Erst aufgrund von Unterlassu­ngen in diesem Politikfel­d ist Google mächtiger als viele Staaten. Unterdesse­n diskutiere­n wir zu wenig die Vergemeins­chaftung von Internet und Mobilkommu­nikation, behindern aber per überholtem öffentlich-rechtliche­n Anspruch die Weiterentw­icklung derart begründete­r Medieninst­itutionen.

Eine Fusion von Springer mit ProSiebenS­at.1 birgt nationale Demokratie­risiken. Sie benötigen aber die Abwägung gegen globale Wettbewerb­schancen. Es geht einerseits um die Gefahr der multimedia­len Meinungsvo­rmacht, anderersei­ts um die Möglichkei­t des EU-Gegenpols zur digitalen USHerrscha­ft. Das betrifft den gesamten deutschspr­achigen Raum. Nicht nur wegen ProSiebenS­at.1Puls4. Springer, in Österreich einst Mitgründer von „Standard“und „News“, gilt heute als Kaufanwärt­er für die „Kronen Zeitung“.

Peter Plaikner

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Peter Plaikner

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