„Motivieren statt regulieren“Wie die Österreicher „gestupst“werden sollen
In Großbritannien wurden Steuerzahler per Brief informiert, dass ein Großteil seine Steuern pünktlich bezahlt. Folge: Die Pünktlichkeit beim Bezahlen stieg um 15 Prozent. In einem norwegischen Hotel wurde die Tellergröße von 24 auf 21 Zentimeter verkleinert. Folge: Der Speisenabfall sank um rund 20 Prozent. An einer dänischen Uni wurden neben den Lichtschaltern Hinweise platziert, dass fast alle Studierenden beim Hinausgehen das Licht abdrehen. Folge: Das Licht wurde um 26 Prozent öfter abgedreht. Es sind Beispiele wie diese, die Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) inspirierten, auch in Österreich die Gründung einer „Nudge Unit“anzugehen – nach Londoner Vorbild. Die dortige Stelle wurde 2010 gegründet und hat angeblich bereits das 22-Fache ihrer Kosten an Einsparungen erzielt. In Österreich sind vorerst Pilotprojekte geplant. Unter dem Titel „Motivierender Staat“wollen vier Ministerien (Finanzen, Familie, Wirtschaft/Wissenschaft, Landwirtschaft/Umwelt) Nudging ausprobieren. Die Projekte, die im Herbst feststehen sollen, werden von vier renommierten Verhaltensökonomen und Wirtschaftspsychologen (einer davon ist Erich Kirchler) wissenschaftlich begleitet. Pilotprojekte soll es etwa in den Bereichen Energiesparen, Lebensmittelverschwendung und Steuerehrlichkeit geben. Am Ende wird evaluiert und dann entschieden, wie es weitergeht: Werden die Pilotprojekte ausgedehnt, weil sie Wirkung zeigen? Werden sie eingestellt, weil die erhoffte Wirkung ausgeblieben ist? Einen Beitrag zum „faktenbasierten Regieren“nennt das Staatssekretär Mahrer, für ihn ein Gebot der Stunde. „Aber Nudging ist kein Ersatz von Gesetzen, sondern nur eine sehr sinnvolle Ergänzung zur bisherigen Politikgestaltung“, sagt er. Wie Nudging zu seiner Einstellung als ausgewiesener Liberaler passe? Einem, der, wie er sagt, eine grundsätzliche „Skepsis“gegenüber dem Staat hat und Paternalismus nicht mag? Mahrer: „ Ein Gesetz soll so wenig wie möglich regeln, aber so viel wie notwendig. Eine Bevormun- dung des Einzelnen kann aber nur durch Anreize vermieden werden, indem der Staat Orientierungshilfe für Entscheidungen anbietet.“Nachsatz: „Es ist ein Unterschied, ob ich zu Entscheidungen hinführe oder sie gesetzlich erzwinge.“Das Prinzip funktioniere in vielen Bereichen, auch bei der Bildung: Wenn man vor dem Ferienende Studierende darüber informiere, wann es wieder losgehe, gehe die Studienabbrecherquote zurück, sagt er. Die Toleranzgrenze wäre für Mahrer dann überschritten, wenn „in die persönlichen Lebensfreiheiten und die Privatsphäre eingegriffen wird.“Es müsse Wahlfreiheit geben. Und die Ziele von Nudging müssten „transparent und nachvollziehbar“sein.