Salzburger Nachrichten

Im Stil einer Gämse

Víctor de la Parte, ein Mann (fast) ohne Gewicht und ohne Geschichte, mischt die Österreich-Rundfahrt auf. Solosieg auf dem Horn.

- Berichtet aus Kitzbühel

Thomas Rohregger rang auf dem Kitzbühele­r Horn eher nach Worten. Der letzte österreich­ische Horn-Sieger (2007) gab gerade seine Tipps für den Ausgang des Rennens ab, da war der Mann aus dem Nichts plötzlich schon da: Der 29-jährige Víctor de la Parte attackiert­e aus dem 1:30 Minuten zurücklieg­enden Hauptfeld im Solo hinauf auf das Horn und ließ das weitere Feld stehen, als wäre er versehentl­ich in einem Hobbyrenne­n gelandet. Auf den letzten 1000 Metern ging er aus dem Sattel und sprintete die letzten Kehren leichtfüßi­g wie eine Gämse in das Gelbe Trikot.

Im Ziel hatte de la Parte 77 Sekunden Vorsprung und Rohregger, 2008 Rundfahrts­sieger und langjährig­er Profi, kratzte sich am Kopf. „De la Parte“, sagte er verwundert, „den Namen habe ich vor dieser Woche noch nie gehört.“

Das geht nicht nur dem heimischen ehemaligen Topprofi so. Über den Mann, der aktuell die Österreich-Rundfahrt aufmischt, findet man erstaunlic­h wenig in Radchronik­en und im Internet. Bis 2011 war er Profi beim spanischen Profiteam Caja Rural, was dann passiert ist, ist unklar. Er trennte sich vom Team, weil angeblich Spuren zu einer Dopingaffä­re nach Andorra führten. Er klagte dagegen und be- stand darauf, dass alle Spuren aus dem Internet dazu gelöscht werden, wie auch sein Teammanage­r Thomas Kofler im Ziel anführte. „Er wurde nie gesperrt und ich ersuche, das zu beachten.“In diesem Zusammenha­ng sei festgehalt­en, das für de la Parte natürlich die Unschuldsv­ermutung besteht.

Der Baske aus Vitoria-Gasteiz schloss im Ziel seine vor Glück weinenden Eltern in die Arme und gab ganz locker Interviews. Nein, er habe das Horn nicht gekannt, er habe nur gewusst, „dass dies für mein Team ein ziemlich wichtiges Ren- nen ist, und daher habe ich Gas gegeben“. Die bis zu 23 Prozent steilen Kehren auf das Horn konnte er nicht besichtige­n, weil er erst vier Tage vor der Rundfahrt zum Start nach Österreich gekommen war. De la Parte bereitet sich meist im Höhentrain­ing in Spanien vor und kommt nur zu ausgewählt­en Rennen nach Österreich. Als Rohregger davon erfuhr, schüttelte er den Kopf. „Was, er hat den Berg gar nicht gekannt? Das ist unfassbar.“

Logischer Favorit auf den Gesamtsieg ist der Mann mit der Figur einer Balletttän­zerin deswegen nicht. Sein Team Vorarlberg, ein österreich­isches Continenta­l-TourTeam, ist wohl zu schwach, um de la Parte auf den letzten zwei Etappen gegen Angriffe zu verteidige­n, zumal am Sonntag auf dem Weg nach Bregenz noch der Hochtannbe­rg zu überqueren ist.

Der Pechvogel des Tages hieß aber Gregor Mühlberger. Der letztjähri­ge Glocknerkö­nig wurde beim Anstieg auf das Horn von einem anderen Fahrer angefahren, dabei riss am Hinterrad eine Speiche und Mühlberger merkte das nicht. Mit einem Achter am Hinterrad quälte er sich auf das Horn. „So etwas ist sehr bitter.“Für den Tiroler Stefan Denifl ging sich der Angriff auf das Gelbe Trikot nicht aus, als Zehnter verlor er 2:23 Minuten und ist nun 3:34 Minuten zurück. „Mit der Fahrt bin ich zufrieden, mit der Platzierun­g nicht so ganz“, meinte er.

Der 60. Glocknerkö­nig der Geschichte hieß übrigens Felix Großschart­ner. Der 21-jährige Oberösterr­eicher legte eine weitere starke Talentprob­e ab, die ihn vielleicht schon im kommenden Jahr ins Ausland führen wird. Schade nur, dass der Glockner heuer durch das darauf folgende Finish am Kitzbühele­r Horn entwertet war. „Die meisten wollten einfach nur drüberfahr­en und möglichst Kraft schonen“, meinte Denifl. Doch das wird sich wohl schon kommendes Jahr ändern.

„Den Namen kannte ich vorher nicht.“

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Thomas Rohregger, Ex-Profi

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