Salzburger Nachrichten

14 Jahre für Mord aus Lust

Jugendhaft für den jungen Ex-Soldaten, der in Bad Reichenhal­l aus purer Mordlust einen Mann erstach und ein Mädchen schwerst verletzte. Sicherungs­verwahrung nach der Haft ist möglich.

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TRAUNSTEIN. Äußerlich regungslos vernahm der inzwischen 21-jährige Christoph R. das Urteil: 14 Jahre Jugendhaft wegen Mordes aus reiner Mordlust und Heimtücke sowie wegen besonders schwerer Körperverl­etzung, zu verbüßen in einer geschlosse­nen sozialther­apeutische­n Einrichtun­g. „Weiters fließt in das Urteil der Vorbehalt einer nachträgli­chen Sicherungs­verwahrung ein“, stellte Klaus Weidmann, der Vorsitzend­e des Traunstein­er Schwurgeri­chts, am Freitag nach dreimonati­gem Prozess gegen R. fest. Nachsatz: „Zudem muss der Angeklagte dem 18-jährigen Opfer, das durch die Tat an einem Auge blind ist, 175.000 Euro Schmerzens­geld zahlen.“

Viele Zuhörer im voll besetzten Traunstein­er Schwurgeri­chtssaal verfolgten die zweistündi­ge Urteilsbeg­ründung von Weidmann mit erschütter­ter Miene. Es war in der Nacht zum 14. Juli 2014, wenige Stunden nach dem Fußball-WM-Finale, als der damals 20-jährige Bundeswehr­soldat Christoph R. nach dem Konsum etlicher Biere um 2.15 Uhr in Bad Reichenhal­l seine Kaserne verließ und in die Innenstadt ging. „Er hatte sich sein Kampfmesse­r mit 17 Zentimeter langer Klinge aus gehärtetem Edelstahl in den Hosenbund gesteckt. Er hatte da schon den Entschluss gefasst, wahllos Menschen zu töten, weil er einfach dazu Lust hatte“, so Weidmann. In der Poststraße traf der aus Rheinland-Pfalz stammende, auffallend jung aussehende Angeklagte auf sein erstes Opfer. Weidmann: „Der 71-jährige Alfons S. war auf dem Heimweg von einem Lokalbesuc­h. Er hatte keinerlei Möglichkei­t, sich zu wehren. Der Angeklagte stach völlig unvermutet 28 bis 30 Mal auf den ihm unbekannte­n Rentner ein. Allein 15 Mal gegen Gesicht, Stirn und in den Kopf.“Alfons S. hatte keine Überlebens­chance.

Blutversch­miert ging der Angeklagte weiter, prahlte laut Richter an einer Bushaltest­elle gegenüber Passanten, dass er „gerade einen Mann umgebracht“habe, und traf dann in der Berchtesga­dener Straße auf Sarah, sein nächstes Opfer. Die damals 17-Jährige schob ihr Rad, Christoph R. grüßte sie – und stach plötzlich von hinten wuchtig auf sie ein. In den Hinterkopf, die Brust, in ihr linkes Auge. Obwohl schon schwerst verletzt, konnte das Mäd- chen 40 Meter zu einem Haus laufen, wo Licht brannte. „Ohne die schnelle Alarmierun­g des Notarztes wäre sie gestorben“, betonte Weidmann. Christoph R. setzte ihr letztlich nicht nach und ging in die Ka- serne zurück. In den Tagen darauf brüstete er sich gegenüber Kameraden, er sei der Täter gewesen. Später floh er nach Norwegen, wo er im August verhaftet und dann nach Deutschlan­d ausgeliefe­rt wurde.

Auch wenn der zur Tatzeit zurechnung­sfähige Angeklagte im gesamten Verfahren geschwiege­n hat – was sein Recht ist: „Nach der sehr umfangreic­hen Beweisaufn­ahme steht für das Gericht zweifelsfr­ei fest, dass er der Täter ist“, betonte Weidmann. Als „plausibles Mordmotiv“, so der Richter, „kommt für uns nur Mordlust infrage. Den Angeklagte­n hat es gereizt, Menschen sterben zu sehen.“Im Fall des Mor- des an Alfons S. liege ein „mehrfacher Overkill“vor .

Höchst bemerkensw­ert aber: Im Fall der brutalen Attacke auf Sarah erfolgte der Schuldspru­ch nicht wegen Mordversuc­hs. Der Angeklagte, verteidigt von dem renommiert­en Rosenheime­r Anwalt Harald Baumgärtl – hätte nämlich dem Opfer, das in einen Hauseingan­g floh, nachsetzen und die Tat vollenden können. Da er das unterließ, erkannte das Gericht – auf Basis höchstgeri­chtlicher Judikatur – auf einen Rücktritt vom Mordversuc­h.

Der Angeklagte, zur Tatzeit rechtlich ein „Heranwachs­ender“, wurde nach Jugendstra­frecht (Höchststra­fe: 15 Jahre) verurteilt. Drei Gutachter waren im Prozess zu der Ansicht gelangt, dass bei R. „verzögerte Reife“vorliege und eine „Nachreifun­g“nicht auszuschli­eßen sei. Was den Vorbehalt nachträgli­cher Sicherungs­verwahrung betrifft, so wird gegen Ende der Haftzeit geprüft, ob R. weiter gefährlich ist und eingesperr­t bleiben soll.

Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig, Staatsanwa­lt wie Verteidige­r prüfen, ob sie in Revision gehen.

„Er wollte einfach wahllos töten.“

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BILDER: SN/KRETZMER (2), B. SCHMID Der Angeklagte (mit Verteidige­r Harald Baumgärtl) schwieg im Prozess. Rechts oben die Tatwaffe, unten Ankläger Björn Pfeifer.
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Klaus Weidmann, Vorsitzend­er Richter

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