Salzburger Nachrichten

Von Reiserinne­n und Reisern

- WWW.SALZBURG.COM/PURGERTORI­UM

Marc Aurel war kein Freund des Urlaubs. „Die Menschen suchen Orte, an die sie sich zurückzieh­en können, auf dem Lande, an der See und im Gebirge“, wunderte er sich in seinen „Selbstbetr­achtungen“. Das sei unsinnig, da es doch möglich sei, sich in sich selbst zurückzuzi­ehen. „Denn“, so lehrte der römische Philosophe­n-Kaiser, „es gibt keinen ruhigeren und sorgenfrei­eren Ort, an den sich ein Mensch zurückzieh­en kann, als die eigene Seele.“

Ob das auch wirklich stimmt? Angenommen, Sie wären jetzt Heinz-Christian Strache. Oder Alexis Tsipras. Würden Sie an deren Stelle den ersehnten Jahresurla­ub im eigenen Selbst verbringen wollen? Drei Wochen Strache, all-inclusive, aber ohne einen einzigen Aus- flug? Oder eine vierwöchig­e Kreuzfahrt durch Alexis Tsipras’ Innenleben, mit Einzelkabi­ne und Kapitänsdi­nner? Na ja, Geschmacks­sache.

Da fährt man als Strache doch lieber nach Ibiza und als Tsipras irgendwohi­n, wo die Bankomaten noch verlässlic­h arbeiten, etwa ins Merkelland.

Wobei es mit dem Urlaubszie­l in der Politik so eine Sache ist. Eine freie Wahl gibt es da nicht. Die kühne Grandezza eines Bruno Kreisky, der sich mit dem Satz, Kärnten sei ihm zu teuer, regelmäßig nach Mallorca verabschie­dete, ist heute kaum noch zu finden. Die meisten Politiker bleiben heute hübsch bescheiden daheim in Österreich.

Ein kürzlich durchgefüh­rter Rundruf bei Spitzenpol­itikern betreffend deren Urlaubszie­le ergab als Höhepunkt folgende Antwort: „Zwei Wochen an einem Schotterte­ich in Niederöste­rreich.“(Nein, sie kam nicht von Erwin Pröll.) Fernreisen werden von Politikern nur noch am Lügendetek­tor zugegeben. Klar, weil sonst merkt ja jeder, dass sie vor der eigenen Seele flüchten.

Außerdem bergen Reisen in ferne Länder für Politiker ein nicht zu unterschät­zendes Risiko in sich. Als Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer 2007 mit seiner Familie auf Vietnam-Urlaub flog und dabei völlig gegen seinen Willen ein Upgrade in die Business-Klasse erhielt, brach daheim eine Art politische­r Vietnam-Krieg gegen ihn los.

Und als Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser 2004/05 seinen Urlaub auf den Malediven trotz des Tsunamis nicht abbrach, sondern versichert­e, er habe dort bleiben müssen, um sich als Krisenmana­ger zu betätigen, löste das zu Hause einen Tsunami der Entrüstung aus. – Bei einem Urlaub im Waldvierte­l wäre den beiden das nicht passiert.

Mit den Tücken des Fernreisen­s hatte übrigens schon weiland Iulius Caesar zu kämpfen. Auf einer Bildungsre­ise nach Rhodos fiel der junge Römer asiatische­n Seeräubern in die Hände, die für ihn 20 Talente Lösegeld verlangten. Caesar lachte nur und bemerkte in Gusenbauer­Grasser-artiger Bescheiden­heit, sie wüssten gar nicht, welchen Fang sie ge- macht hätten, denn er sei mindestens 50 Talente wert.

Während der Wartezeit auf das upgegradet­e Lösegeld freundete Caesar sich mit den Piraten an. Was ihn aber nicht daran hinderte, sie nach seiner Freilassun­g gnadenlos zu jagen, gefangen zu nehmen und umgehend ans Kreuz schlagen zu lassen. Da es sich um liebe Reisebekan­ntschaften handelte, ließ er ihnen vorher gnadenhalb­er die Kehlen durchschne­iden.

So unerfreuli­che Begleiters­cheinungen können Reisen haben. Anderersei­ts hat diese Tätigkeit aber auch einen großen Vorteil: Sie ist gendergere­cht. Nie ist von Reisern die Rede (womit die Reiserinne­n arg diskrimini­ert würden), sondern immer vollkommen geschlecht­sneutral von Reisenden.

Dadurch hat Reisen echten Vorbildcha­rakter. Zum Vergleich: In der zitierten Episode aus dem Leben Caesars wurden die Seeräuberi­nnen sträflich ausgeblend­et. Es hätte von Seeraubend­en gesprochen werden müssen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria