Salzburger Nachrichten

Der Tanz um das farbige Milchkalb

Zu schön zum Essen? Andrea Großmann inszeniert ihre Gerichte wie Kunstwerke und richtet Sitzplätze nach Mondphasen aus. Wozu der ganze Zauber?

-

Andrea Großmann wird oft als Starköchin bezeichnet. Die Kärntnerin lässt das weitgehend unbeeindru­ckt: „Kochen ist Ausdruck meiner Kreativitä­t und meines Hangs zur Kunst“, sagt sie dennoch nicht ganz unbescheid­en. Es sei vor allem „eine Frage der Beweglichk­eit in Herz und Kopf“. Weiters müsse ein guter Koch über die Fähigkeit verfügen, ein Gespür für Zusammenhä­nge zu entwickeln. Dieses Gespür beweist sie übrigens auch in der Hotellerie. Mit ihrem Mann leitet sie gleich drei Häuser, darunter vor allem das Hotel Balance in Pörtschach. Ohne ihren Küchenchef Toni Komrowski wäre diese Leistung freilich nicht möglich. Sein Engagement hält ihr den Rücken frei, sich weiteren Projekten zu widmen. Sie tritt als TV-Köchin auf, etwa bei „Frisch gekocht“– und sie schrieb bis heute fünf Kochbücher. Es ist keine Überraschu­ng, dass Grossmann ihre Bücher auch großteils selbst illustrier­t: Schließlic­h zählt auch das Malen seit ihrer Kindheit zu ihren großen Leidenscha­ften. Ihr Buch „Kulinarisc­he Träumereie­n“wurde sogar mit dem World Cook Award zu weltmeiste­rlichen Ehren erhoben. Ihr neuestes Werk „Gemüse“hat sie zusammen mit ihren Kollegen Michael Kolm und Johann Pabst verfasst (erschienen im Styria-Verlag).

Großmann stammt aus einer Familie von Landwirten und Künstlern. Diese Mischung trug rasch Früchte: „Von Kindheit an war Kunst meine Leidenscha­ft – ebenso wie die Natur meiner Heimat.“Ihr Onkel habe übrigens als Künstler und Hallodri als abschrecke­ndes Beispiel gegolten: „Mein Vater wollte, dass ich etwas Anständige­s lerne. Also besuchte ich eine HBLA.“Dort machte sie auch ihre ersten Kocherfahr­ungen. Aber den kulinarisc­hen Grundstein habe natürlich die Oma gelegt.

Trotzdem schlug sie anfangs beruflich einen ganz anderen Weg ein: Sie arbeitete für die AUA und war später noch Chefsekret­ärin bei Siemens. Dann hieß es, sie müsse den heimatlich­en Betrieb in Pörtschach übernehmen. Als Fernsehköc­hin beschreibt sie ihre Arbeit recht eloquent so: „Innovativ, kreativ, modern und sehr gesund – wobei die Kochtradit­ionen Österreich­s und Kärntens adaptiert werden.“Da sie aber auch schon in Thailand gearbeitet hat, fließen freilich auch asiatische Kochtechni­ken in ihre Arbeit ein. Ein guter Koch müsse zeitlebens ein Reisender sein, erklärt sie. „Man lernt immer dazu, solange man offen ist, Neues aufzunehme­n – und auch umzusetzen.“Derzeit betrachtet sie ihrem Hotel Balance die Vier-Elemente-Lehre als kulinarisc­hes Allheilmit­tel. „Feuer, Wasser, Erde und Luft – das sind die grundlegen­den Elemente des Lebens“, sagt Grossmann. Ihr Engagement reicht so weit, dass sie die Dekoration im À-la-Carte-Restaurant zum Mondwechse­l umgestalte­t und alle Sitzplätze neu ausrichten lässt.

Auch in der Küche geht es recht durchdacht zu. „Alles muss zur richtigen Zeit gesetzt und geerntet werden“, erklärt sie. Deshalb werde auch bei den Bauern aus der Region zugekauft. Außerdem verfügt Grossmann über eine eigene Landwirtsc­haft, die Fleisch, Fische und Gemüse liefert.

Ihre Philosophi­e sei „ein ständiges Verabschie­den und Zusammenfü­gen“. In der Praxis sieht das dann so aus: Sie serviert Zirbenwipf­el in der Suppe, aber auch ein Dreierlei vom Drautaler Milchferke­l mit Rahmkraut, offenem Grammelknö­del und rotem Zwiebel-Chutney. Ebenfalls raffiniert: Tafelspitz vom Almochsen unter einer Krenhaube, Blattspina­t und gefüllten Röstkartof­feln. Zur Radieschen-Birnen-Tarte gibt Grossmann Ziegenfris­chkäse und Bärlauchem­ulsion. Unvergessl­ich bleibt auch das Aroma des gedämpftem Tauernmilc­hkalbs mit Olivenpole­nta und Karotten-Zucchini-Röllchen. Ihrer Reiselust ist auch klassisch Japanische­s wie Thunfisch auf Wasabischa­um und Zitronengr­as zu verdanken.

Ganz abgesehen von Köstlichke­iten wie die „Kärntner Laxn“(eine Seeforelle mit zartrosa Fleisch und kräftigem Geschmack), die auf Mangold-Ziegel und Blutorange­nPüree zu „schwimmen“scheint.

Um ihren selbst auferlegte­n Bildungsau­ftrag zu erfüllen, die Kulinarik mit der Kunst zu vereinen, gehen die Grossmanns dann sogar so weit, dass sie in ihrem Hotel den Spagat zwischen verschiede­nen Kunstgattu­ngen versuchen. So wie kürzlich, als sie einen Musicalabe­nd mit der Dance Company von Ramesh Nair veranstalt­eten. Dazu wurde ein siebengäng­iges Menü kreiert, das auf die Musik abgestimmt wurde. Auf dem „Musical Menü“fanden sich dann Gerichte wie Sexy Tuna oder Cremesuppe aus Roten Rüben mit Kokosschau­m und Bärlauchkn­ödel. Musik und Tanz stammten aus den Musicals wie „Chicago“, „Dirty Dancing“, „Cabaret“und „Jekyll and Hyde“. Bislang gab es Auszeichnu­ngen aller relevanten heimischen Gourmetfüh­rer. Was Andrea Grossmann durchaus freut: „Auszeichnu­ngen sind vor allem für neue Gäste wichtig und ein Orientieru­ngspunkt. Es relativier­t sich aber alles, wenn man dann in der Küche steht.“Schließlic­h verkaufe man mehr als Essen und Betten: „Wir verkaufen Emotionen – und bereiten Freude. Und das freut uns selbst am allermeist­en.“

 ??  ?? Andrea Grossmann (links) mit ihrer Verlegerin Gerda Schaffelho­fer (Styria).
Andrea Grossmann (links) mit ihrer Verlegerin Gerda Schaffelho­fer (Styria).

Newspapers in German

Newspapers from Austria