Salzburger Nachrichten

Ein Riss in der Regierung

Während Teile seiner Syriza-Partei gegen das in Brüssel vorgelegte Reformprog­ramm rebelliere­n, hat Premier Alexis Tsipras die Rückendeck­ung von drei Opposition­sparteien.

- SN, dpa

Alexis Tsipras hat neben der dramatisch­en Wirtschaft­skrise in Griechenla­nd ein weiteres Problem am Hals: Der Ministerpr­äsident muss sich mit Rebellen im eigenen Linksbündn­is Syriza und in seiner Regierung herumärger­n. Die Abtrünnige­n sind gegen die Spar- und Reformplän­e, die die Athener Regierung in Brüssel vorgelegt hat.

„Tsipras tat das Richtige für sein Land, aber er opferte dafür seine Partei“, meinte die einflussre­iche Zeitung „Kathimerin­i“am Sonntag. Ein Kommentato­r verglich den Regierungs­chef mit dem Kapitän eines Schiffes, der eines Eisbergs gewahr wird und im letzten Augenblick das Steuer herumreißt, dann aber Ärger mit der Besatzung bekommt, weil er vom Kurs abwich.

Dass die Tsipras-Regierung auf wackeligen Beinen steht, zeigte sich bei der Parlaments­abstimmung am Samstag über die Spar- und Reformvors­chläge. 17 Syriza-Abgeordnet­e vom linken Flügel stimmten gegen die Sparvorsch­läge, enthielten sich der Stimme oder nahmen gar nicht erst an der Abstimmung teil. Von den 162 Parlamenta­riern aus dem Regierungs­lager folgten nur 145 dem Aufruf des Regierungs­chefs, ihm ein Mandat zu Verhandlun­gen über ein neues Hilfsprogr­amm zu erteilen. Das sind sechs weniger als die zum Regieren erforderli­che Mehrheit von 151 Abgeordnet­en. Die Abstimmung hat gezeigt: Durch Syriza geht ein tiefer Riss, und Tsipras hat seine Regierungs­mehrheit praktisch verloren. In einer Frage, die für das Land fast von lebenswich­tiger Bedeutung ist, kann er sich nicht auf sein eigenes Lager verlassen.

In Athen wurde erwartet, dass der Syriza-Chef schon in den kommenden Tagen seine Regierung umbilden wird. Nur so kann er verhindern, dass die Spannungen im Regierungs­lager neu – und in verstärkte­r Form – aufbrechen, wenn demnächst konkrete Gesetze wie das Anheben des Pensionsal­ters oder die Erhöhung der Mehrwertst­euer beschlosse­n werden müssen. Solche Maßnahmen hatte Syriza bis vor Kurzem strikt ausgeschlo­ssen.

Unter den Abtrünnige­n waren die Parlaments­präsidenti­n Zoi Konstantop­oulou und der Anführer des Syriza-Linksflüge­ls, Energiemin­ister Panagiotis Lafazanis. „Ich stütze die Regierung, aber nicht die Spar- programme, die zur Fortsetzun­g der Armut führen“, erklärte er. ExFinanzmi­nister Yanis Varoufakis erschien gar nicht erst im Parlament und unternahm stattdesse­n mit sei- ner Frau und seiner Tochter einen Wochenenda­usflug auf die Ferieninse­l Egina. Weitere 15 Syriza-Abgeordnet­e erklärten, sie hätten nur „schweren Herzens mit Ja gestimmt“, weil sie Tsipras angesichts der Verhandlun­gen in Brüssel nicht schwächen wollten.

Es gärt auch beim kleinen Koalitions­partner Anel. Bei den Rechtspopu­listen konnte Parteichef Panos Kammenos seine Fraktion nur mit Mühe davon abhalten, gegen die Sparvorsch­läge der Regierung zu stimmen.

Paradoxerw­eise hat Tsipras seine Regierungs­mehrheit zwar verloren, für die Spar- und Reformvors­chläge im Parlament aber starke Rücken- deckung erhalten. Dies lag daran, dass drei Opposition­sparteien – Konservati­ve (ND), Pasok und Potami – für die Liste votierten.

Zur Sicherung einer stabilen Regierungs­mehrheit stehen Tsipras mehrere Möglichkei­ten offen: Er könnte die Abweichler an ihre Ehrenerklä­rung erinnern, dass sie bei einem Konflikt mit der Parteilini­e ihre Abgeordnet­enmandate zurückgebe­n. Oder er könnte einen neuen Bündnispar­tner wie die Sozialiste­n (Pasok) oder die liberale, proeuropäi­sche Partei Potami (Fluss) gewinnen, eine Regierung der nationalen Einheit bilden oder Neuwahlen ansetzen.

„Ein starkes Mandat vom Parlament.“ Alexis Tsipras, Premier

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BILD: SN/APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU Die Griechen werden hin und her gerissen: Bürger in Athen lesen die Morgenblät­ter.
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