Salzburger Nachrichten

Kein Vorschuss an Vertrauen für Athen

Drei Sondertref­fen am Wochenende und noch immer keine endgültige Lösung im Schuldenst­reit. Die Eurozone zweifelt vor allem, ob Griechenla­nd seine Reformzusa­gen tatsächlic­h umsetzen wird.

-

Matteo Renzi musste am gestrigen Sonntag also doch nach Brüssel reisen. Man könne den Sondergipf­el schon beinahe streichen, meinte der italienisc­he Premier am Freitag noch optimistis­ch, nachdem die Reformlist­e aus Athen eingegange­n war. Der Gipfel der Eurozone fand wie geplant statt, gestrichen wurde hingegen jenes Treffen mit allen Staats- und Regierungs­chefs der EU, das im Anschluss stattfinde­n sollte. Die Premiers und Präsidente­n hätten von ihren Kollegen aus der Eurozone über die erzielte Einigung oder auch das Scheitern der Verhandlun­gen informiert werden sollen. Allein, es fiel am Sonntag wieder keine endgültige Entscheidu­ng bei den Eurofinanz­ministern, ob es ein weiteres Hilfspaket für Griechenla­nd geben wird.

Zumindest soll es eine neue Frist für Griechenla­nd geben: Bis Mitt- woch müssten laut Vorstellun­gen der Finanzmini­ster erste Reformgese­tze durch das griechisch­e Parlament gebracht werden. Außerdem fordern sie, dass die Liste der „Prior Actions“präzisiert wird, also die Liste jener Maßnahmen, die mittelfris­tig umgesetzt werden. Zudem sollen Schritte zu Privatisie­rungen fixiert werden, wie der finnische Finanzmini­ster Alexander Stubb nach dem Treffen der Eurogruppe sagte. Alle drei Kriterien müssten von der Regierung und dem Parlament in Athen akzeptiert werden, damit es grünes Licht für ein drittes Hilfsprogr­amm geben könne, meinte der Finne. Ein Grexit sei damit vorerst vom Tisch, zeigte sich Österreich­s Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling vorsichtig optimistis­ch.

Zwei Treffen der Eurogruppe brauchte es am Wochenende, bis dieses Teilergebn­is zustande kam. Nach neunstündi­gen Verhandlun­gen wurde am Samstag die erste Sit- zung abgebroche­n, als zu Mitternach­t die Nerven blank lagen und die Fronten verhärtet waren. Frankreich und Italien bildeten den harten Kern jener Gruppe, die sich für eine schnelle Einigung aussprach und die Reformvors­chläge der griechisch­en Regierung lobte. Auf der anderen Seite standen neben Deutschlan­d fast alle weiteren nord- und osteuropäi­schen Länder. Besonders hart zeigten sich in den Gesprächen die Slowaken und Finnen. An Letzteren drohten die Verhandlun­gen sogar zu scheitern.

Er habe kein Mandat, um einer Eröffnung der Verhandlun­gen zuzustimme­n, sagte Stubb in der Nacht auf Sonntag. Unter Druck war er vor allem von der Rechtspart­ei „Wahre Finnen“gekommen. So wie im Grunde fast alle Teilnehmer der Sitzung meinte der Finne, es müsse Garantien aus Athen geben, dass die angekündig­ten Reformen auch umgesetzt werden.

Zerstörtes Vertrauen, das schien am Samstag in der Eurogruppe schwer zu wiegen. Das Ergebnis, dass Athen nun erst konkrete Maßnahmen umsetzen müsse, bevor überhaupt weiterverh­andelt wird, kam in diesem Sinn wenig überrasche­nd. Abgesegnet musste es am Sonntagabe­nd noch von den Staatsund Regierungs­chefs werden. Sie sollten die endgültige Entscheidu­ng in der Sache treffen.

Bezüglich einer Einigung zeigten sie sich zu Beginn des Treffens unterschie­dlich optimistis­ch. Fraglich war vor allem, ob der griechisch­e Premier Alexis Tsipras sich auf diesen Deal einlassen würde und vor allem noch weitere Zugeständn­isse eingehen könnte. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach einmal mehr von einer „Einigung nicht um jeden Preis“. Österreich­s Kanzler Werner Faymann gab sich gewohnt optimistis­cher. Er kritisiert­e hingegen jene Pläne der deut- schen Regierung für einen zwischenze­itlichen Grexit von einigen Jahren, die zuvor aus dem Umfeld der Eurogruppe bekannt geworden waren. Der französisc­he Präsident François Hollande machte zu Beginn des Treffens noch einmal deutlich, dass sein Land auf jeden Fall keinen Ausstieg Griechenla­nds aus der Eurozone wolle.

Neben den Vorschläge­n aus der Eurogruppe und den Bedingunge­n für den Start eines dritten Hilfsprogr­amms gab es bei den Staats- und Regierungs­chefs jede Menge weiteren Diskussion­sbedarf. Auf der Agenda stand auch das strittige Thema der Schuldentr­agfähigkei­t, an dem die Eurozone nicht vorbeikomm­en wird. Auch wenn ein klassische­r Schuldensc­hnitt schon rein rechtlich nicht möglich ist – ein Angebot für längere Laufzeiten muss Athen zumindest bekommen. Ansonsten könnte Tsipras kaum einer Einigung zustimmen.

 ?? BILD: SN/APA/EPA/LAURENT DUBRULE ?? Nein, der griechisch­e Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos zielt nicht auf IWF-Chefin Christine Lagarde, er zeigt nur auf sie.
BILD: SN/APA/EPA/LAURENT DUBRULE Nein, der griechisch­e Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos zielt nicht auf IWF-Chefin Christine Lagarde, er zeigt nur auf sie.

Newspapers in German

Newspapers from Austria