Salzburger Nachrichten

Chinas Regime knebelt Kritiker

Dutzende Menschenre­chtler sind verschwund­en oder verhaftet worden.

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PEKING. Nur wenige Tage vor einem Besuch des deutschen Wirtschaft­sministers Sigmar Gabriel (SPD) in Peking hat die chinesisch­e Führung Dutzende von Menschenre­chtsanwält­en festnehmen lassen. In einer groß angelegten Aktion seien Polizisten in die Häuser von 47 Personen eingedrung­en, berichtete die Menschenre­chtsorgani­sation China Human Rights Lawyers Concern Group aus Hongkong.

In vielen der Fälle haben ihre Kollegen und Familien nichts mehr von ihnen gehört, nachdem sie abgeführt worden sind. Laut Amnesty Internatio­nal dürfte dies der größte Schlag des Regimes in Peking gegen Bürgerrech­tler seit Amtsantrit­t von Präsident Xi Jinping sein.

Bei den landesweit koordinier­ten Verhaftung­en könnte es sich um ei- ne Anwendung eines Sicherheit­sgesetzes handeln, das dem Sicherheit­sapparat umfassende Möglichkei­ten gibt, Kritiker mundtot zu machen. Das Gesetz ist seit dem 1. Juli in Kraft. Es ermächtigt die Polizei, „alle nötigen Maßnahmen“anzuwenden, um „die Macht der demo- kratischen Diktatur des Volkes und das System des Sozialismu­s mit chinesisch­en Charakteri­stiken“zu schützen. Der Menschenre­chtskommis­sar der Vereinten Nationen, Zeid Ra’ad Al Hussein, hat die willkürlic­he Anwendbark­eit kritisiert: „Keiner weiß mehr, auf welcher Seite des Gesetzes er steht.“

Gabriel besucht ab Dienstag ein China, in dem die Kommunisti­sche Partei die Schrauben in den vergangene­n Monaten immer weiter angezogen hat. „Die Unterdrück­ung nimmt in vielen Formen zu“, sagt die Juristin Eva Pils vom King’s College in London. Trotz Beteuerung­en, den Rechtsstaa­t zu stärken, stehen vor allem Anwälte in der Schusslini­e. Präsident Xi Jinping habe die Ausweitung der Einschücht­erung stärker als seine Vorgänger durch formale Gesetze abgesicher­t – ein Beispiel ist das neue Sicherheit­sgesetz.

Die EU-Handelskam­mer in Peking sieht in dem strikt zensierten Internet bereits eine erhebliche Wachstumsb­remse. „Vor allem die Zugangsbes­chränkunge­n haben erheblich Auswirkung­en auf das Geschäft“, sagt Kammerpräs­ident Jörg Wuttke. China verlangt zunehmend Zugang zu verschlüss­elter Kommunikat­ion.

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