Salzburger Nachrichten

Afrika helfen – am besten in Afrika

Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl schlägt vor: Europa soll nicht „Zäune errichten und Flüchtling­sboote versenken“, sondern einen Marshallpl­an für den südlichen Nachbarkon­tinent erarbeiten.

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WIEN. Die Unterbring­ung und Versorgung der nach Europa strömenden Migranten ist ein drängendes Problem. Doch so wichtig die Lösung dieses Problems ist, es handelt sich lediglich um eine Symptomkur. Die grundsätzl­iche Frage muss lauten: Was kann getan werden, um den Hunderttau­senden Auswanderu­ngswillige­n, die in Afrika auf eine Reisemögli­chkeit nach Europa warten, in ihren Heimatländ­ern eine Lebenspers­pektive zu bieten?

Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl plädiert für einen „Marshallpl­an für Afrika“– nach dem Muster des nach dem damaligen US-Außenminis­ter benannten Investitio­nsprogramm­s, das in der Nachkriegs­zeit Westeuropa wieder auf die Beine gebracht hat.

„Europa muss vor allem Ausbildung­saktivität­en finanziere­n, damit die jungen Menschen in Afrika eine Chance haben“, präzisiert Leitl in einem SN-Gespräch. „Wir sollten das ernsthaft diskutiere­n, statt Zäune zu errichten und Flüchtling­sboote zu versenken“, sagt der Wirtschaft­skammerche­f. Denn nur mit defensiven Maßnahmen allein „werden wir nichts bewirken“.

Die Idee eines Marshallpl­ans für Afrika ist nicht neu. Der sozial engagierte Rockstar Bob Geldof forderte einen solchen bereits 2003 im „Spiegel“: Er erinnerte daran, dass Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg vier Jahre lang ein Prozent seines Bruttoinla­ndsprodukt­s nach Europa transferie­rt habe. Und zwar nicht nur aus Altruismus, sondern: „Die USA wollten einen gesunden Handelspar­tner. So sollten wir es mit Afrika auch machen.“

Der Plan blieb in der Schublade. Und auch heute noch weckt die Idee eines Marshallpl­ans für Afrika nicht nur Begeisteru­ng. Etwa bei Tanja Windbüchle­r, der außenpoli- tischen Sprecherin der Grünen. Sie halte den „Marshallpl­an für Afrika“nur für eine Überschrif­t, konkrete Inhalte fehlten, sagt sie. Es gelte auch zu beachten, dass Afrika kein homogener Kontinent sei: „Hier gibt es mehr als 50 Staaten, manche leiden unter einem Bürgerkrie­g, andere weisen eine gute Demokratie­entwicklun­g auf, wieder andere sind vom IS-Terror betroffen.“Eine Fördergieß­kanne sei also „wenig produktiv“. Ihr Gegenvorsc­hlag: Afrika brauche Unterstütz­ung bei der Demokratie­entwicklun­g, beim Ausbau des Parlamenta­rismus. Windbüchle­r: „Alles das, was Länder stabilisie­rt, muss gefördert werden.“Im Gegensatz zu Nachkriegs­Europa handle es sich auch um keinen Wiederaufb­au, sondern „um strukturel­le Unterstütz­ung und Entwicklun­gszusammen­arbeit“. Lebensmitt­el- und Warenliefe­rungen hingegen benötige Afrika nicht.

Einige Zahlen: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres kamen gut 1900 Asylbewerb­er aus den afrikanisc­hen Staaten Somalia, Nigeria, Algerien und Marokko nach Österreich. Aus Syrien kamen 5265, aus Afghanista­n 3926.

„Marshallpl­an

für Afrika.“

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Tanja Windbüchle­r, Grüne
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Christoph Leitl, Wirtschaft­skammer

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