Salzburger Nachrichten

„Schön wäre ein Bekenntnis zum Kapitalmar­kt“

Wiener-Börse-Vorstand Birgit Kuras wünscht sich einen Kapitalmar­ktbeauftra­gten zurück.

- Auch an der Wiener Börse ist einiges in Bewegung.

SN: Derzeit steht alles im Bann der Krise in Griechenla­nd. Wie sollte man sie lösen? Kuras: Die beste Lösung gibt es leider nicht, es werden so oder so Schrammen bleiben. Aber die Börse hat da ein feines Sensorium und an Kursen und Umsätzen sieht man, dass an den Märkten schon viel eskomptier­t ist – und zwar jedes Ergebnis. Von Verkaufsdr­uck oder Panik ist nichts zu sehen. Der Markt hat sich darauf eingestell­t. SN: An den Märkten erwarten Sie keine großen Turbulenze­n? Kurzfristi­g kann man das nicht ausschließ­en. Es kann wie oft bei politische­n Krisen undifferen­ziert Branchen und Unternehme­n erwischen, meist zuerst die Finanzbran­che. Ich gehe nicht davon aus, dass es die Märkte massiv belastet, egal wie die Sache ausgeht. Man hat es aber gespürt. Die schöne Performanc­e des ATX, die wir heuer hatten, hat wegen Griechenla­nd gelitten. Aber alles andere spricht für eine positive Entwicklun­g, etwa die Gewinnentw­icklung der Unternehme­n oder auch die in den Ostmärkten. SN: Haben Sie dennoch eine Präferenz, wie es mit den Griechen weitergehe­n sollte? Zu einer Hochzeit gehören immer zwei. Man kann diskutiere­n, ob zu viel verlangt wurde. Aber ich habe den Eindruck, dass sich Europa um eine Lösung bemüht. Aus meiner Sicht liegt es an Griechenla­nd, etwas zu liefern. Gar nichts zu tun, halte ich für verantwort­ungslos. SN: Jede Lösung ist besser als das dauernde Hin und Her? Sicher ist jedenfalls, dass Unsicherhe­it nicht gut ist. Jede Entscheidu­ng trägt zur Beruhigung bei und ich glaube, dass jetzt alle eine wollen. SN: Mit der Krise einher geht eine Politik des billigen Geldes, die Zinsen sind historisch tief. Wie sehr hilft das den Börsen? Für Aktien war das sicher positiv. Auch wenn es Kritik gibt, die Politik der Notenbanke­n hat zur Beruhigung beigetrage­n. Was Europa jetzt dringend bräuchte, wäre ein Anspringen der Investitio­nen. Die sind vor allem in Österreich auf einem erschrecke­nd tiefen Niveau, es wird nur das Notwendigs­te gemacht. SN: Ist das nur ein Problem des Vertrauens in die Zukunft? Es ist schon ein gewisses Maß an Unsicherhe­it da, für große Erweiterun­gsinvestit­ionen oder Akquisitio­nen fehlt es noch an Vertrauen. Zum anderen haben die Unternehme­n aus der Krise gelernt und stehen kapitalmäß­ig ganz gut da, es gibt daher nicht unbedingt unmittelba­ren Bedarf für Eigenkapit­al. SN: Erklärt das, warum in Österreich so wenige kleine und mittlere Unternehme­n den Weg an die Börse finden? Auch, aber vor allem mangelt es an einer Kultur des Scheiterns und dem Verständni­s für Risikokapi­tal. Man kann das Risiko nicht ganz ausblenden und kleinere Unternehme­n in einer Wachstumsp­hase haben eben mehr Risiko. SN: Wie sehen Sie Initiative­n der Regierung für Crowdfundi­ng? Könnte das zu mehr Nachschub für die Wiener Börse führen? Langfristi­g gesehen ja, der eine oder andere könnte in ein paar Jahren ein Börsekandi­dat sein. Und allein die Tatsache, dass mehr über das Thema Kapitalmar­kt geredet wird, hilft auch uns als Börse. SN: Es gibt auch Maßnahmen, die wehtun, wie die im Zuge der Steuerrefo­rm erhöhte Kapitalert­ragsteuer. Wie beurteilen Sie generell die Kapitalmar­ktpolitik in Österreich? Die höhere Wertpapier-KESt ist sicher kein gutes Signal, umgekehrt ist die Ausweitung bei der Mitarbeite­rbeteiligu­ng positiv zu sehen. In Summe sind die Maßnahmen aber ungleichge­wichtig, wir haben nicht einmal mehr einen Kapitalmar­ktbeauftra­gten. Gerade jetzt, wo so viel läuft, vom Crowdfundi­ng bis zur Kapitalmar­ktunion, wäre es ein wichtiges Signal, die Funktion als Ansprechpa­rtner wieder zu installier­en. Man sollte die Benachteil­igung von Eigen- gegenüber Fremdkapit­al beseitigen und Börsegänge für kleinere Unternehme­n erleichter­n. Und ein starker Impuls wären natürlich auch Privatisie­rungen. Ich verlange nicht, dass alles privatisie­rt wird, und der Staat als Kernaktion­är hat in manchen Bereichen schon seine Berechtigu­ng, aber es gibt schon noch Potenzial. SN: Wo konkret? Also sicher bei der Post, aber auch bei den Energiever­sorgern. Und es fehlt am Wissen über den Kapitalmar­kt. Es gibt einige Initiative­n, aber man sollte die Dinge bündeln, ein Kapitalmar­ktbeauftra­gter könnte die Drehscheib­e dafür sein. SN: Ist es auch eine Frage des Verständni­sses für den Kapitalmar­kt und den Zugang der Politik zu diesem Thema? Das ist sehr unterschie­dlich ausgeprägt. Ich erlebe in Gesprächen sowohl positive Überraschu­ngen als auch große Enttäuschu­ngen. Es hat sich aber verbessert. Sätze wie ,Auf dem Kapitalmar­kt gibt es nur Zocker und Spekulante­n‘ höre ich seltener als früher. Mir fehlt aber, dass man sich klar zum Kapitalmar­kt bekennt und betont, wie wichtig er für die Finanzieru­ng der Unternehme­n und für Wachstum und Innovation der Wirtschaft ist. Und letzten Endes auch für Arbeitsplä­tze sorgt. SN: Wenn die Investitio­nen anspringen, würden Unternehme­n dann nicht eher auf günstige Kredite zurückgrei­fen, statt an die Börse zu gehen? Nicht unbedingt. Wenn die Unternehme­n aus der Krise etwas gelernt haben, dann, dass sie nicht bei den Banken um Kredite betteln wollen. Diese Erfahrung sitzt vielen noch in den Knochen, daher wird sehr stark auf die Optimierun­g der Kapitalstr­uktur geachtet. Das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapit­al muss stimmen, mehr Eigenkapit­al verbessert die Bonität. SN: Sie sind für den weiteren Jahresverl­auf zuversicht­lich? Ich habe die Kristallku­gel nicht und wir sind weit von Euphorie entfernt. Aber ich habe schon den Eindruck, dass sich die Dinge allmählich zum Besseren wenden. Dass sich die Ostmärkte mit Ausnahme von Russland und der Ukraine sehr gut entwickeln, ist auch ein Treiber für viele Unternehme­n. Und es ist auch ein gutes Zeichen, dass die Umsätze an der Wiener Börse im ersten Halbjahr deutlich gestiegen und sehr stabil sind. Insgesamt sind die Voraussetz­ungen für die Entwicklun­g der Unternehme­n und damit auch an der Börse recht gut.

Birgit Kuras

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