Salzburger Nachrichten

Finanznot frisst am Fracking-Boom

Weltweit lässt der Energiehun­ger nach. Das ist eine gute Nachricht – wenn man keine Ölfirma hat.

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WASHINGTON. Die Zahlen sind beeindruck­end. Innerhalb eines Jahrzehnts stieg der Anteil der USA an der globalen Erdölprodu­ktion von acht auf dreizehn Prozent. Amerika ist zur weltgrößte­n Ölförderna­tion aufgestieg­en und hat Saudi-Arabien auf Platz zwei verdrängt.

Fracking, so heißt das Zauberwort. Fracking ist das Geschäft, Öl oder auch Gas mithilfe von Wasser, Sand und einem streng geheim gehaltenen Chemikalie­nmix aus dem Bodengeste­in zu sprengen. Die USBundesst­aaten Texas und North Dakota sind die Zentren dieses Booms. Die Bohranlage­n überziehen riesige Landstrich­e – doch immer weniger Türme sind in Betrieb. Die Zahl der aktiven Bohrlöcher ist im vergangene­n Jahr um rund die Hälfte gesunken. Neue Technologi­en brachten zwar Produktivi­tätssteige­rungen, die geförderte Menge ist nur leicht geschrumpf­t, trotzdem: „Es wird Blut geben“, wie das britische Wirtschaft­smagazin „The Economist“jüngst schrieb. Der niedrige Ölpreis setzt den Fracking-Baronen zu. Das Barrel (159 Liter) US-Öl stürzte innerhalb eines Jahres von rund 100 Dollar auf 43 Dollar ab und liegt nun bei 51. Das reicht nicht, um das teure Fracking profitabel zu machen.

Üblicherwe­ise reagiert in Zeiten von Überangebo­t Saudi-Arabien und drosselt seine Förderung, um so den Preis wieder in die Höhe zu treiben. Das geschah diesmal nicht. Die Saudis halten den Ölhahn weit offen. Das mag viele Gründe haben. Wirtschaft­lich vernünftig ist es allemal. Wer weiß, ob nicht Klimaschut­zgesetze bald dazu zwingen, die letzten Reserven im Boden zu lassen. Besser also verkaufen, solange es geht. Saudi-Arabien macht auch bei einem Preis von 20 Dollar noch ordentlich Gewinn. Zumal das weltweite Überangebo­t ja von jenen stammt, die nun am meisten darunter leiden: den US-Frackern.

Doch auch sie drosseln die Fördermeng­en nicht. Das könnten sie sich auch gar nicht leisten. Zwar wurden seit Jahresbegi­nn Zehntausen­de Jobs abgebaut, gleichzeit­ig aber auch 35 Milliarden Dollar investiert. Der Geldbedarf ist enorm.

Die Krux beim Fracking ist, dass neue Bohrungen in der Regel nach nur einem Jahr nur noch die Hälfte an Ertrag bringen. Nach zwei Jahren ist es ein Zehntel. Um die Fördermeng­e zu halten, müssen immer neue Löcher gebohrt werden. Wofür es immer neues Kapital braucht.

Mittlerwei­le sei die FrackingBr­anche fast so hoch verschulde­t wie Griechenla­nd, berichtet der „Economist“. Allein die 60 führenden Firmen bringen es auf 215 Milliarden Euro Außenständ­e. Das Gesamtinve­stment der Branche beträgt 473 Milliarden Euro.

Die Finanzieru­ng erfolgt meist über die Wall Street: Junk Bonds, also Hochrisiko­anleihen mit hoher Verzinsung, sind das Instrument der Wahl.

Nur: Bei 51 Dollar für das Barrel Öl gilt es als unmöglich, eine auch nur einigermaß­en angemessen­e Rendite zu erwirtscha­ften. Doch die Fracking-Bosse bleiben optimis- tisch. Sie behaupten, technische Innovation­en würden dafür sorgen, dass ihr Hightech-Öl bei neuen Bohrungen schon ab 60 Dollar hochprofit­abel sei.

Branchenex­perten reagieren zurückhalt­end. Neue Investitio­nen in die Fracking-Szene seien nur schwer zu rechtferti­gen, meinte der Vorsitzend­e des Energiekon­zerns Shell, Ben van Beurden, Anfang Juli in der „Financial Times“. Nachhaltig helfen könnten nur steigende Ölpreise. Doch auch hier zeigt sich ein – für die Branche – bedrohlich­er Ausblick. Von einem „Sturm der Veränderun­g“sprach der Chef des britischen Konzerns BP. Der Weltmarkt wandle sich dramatisch: Die Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas steige kaum noch. Laut dem im Juni präsentier­ten BP-Weltenergi­ebericht wuchs der globale Bedarf im vergangene­n Jahr nur noch um 0,9 Prozent. Das ist um die Hälfte weniger als im langjährig­en Mittel. Der Verbrauch in der EU lag gar auf dem niedrigste­n Stand seit 1985. Sieht nicht nach Boom aus.

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