Mann zeigt Ärger sehr direkt
Der Ausdruck von Ärger ist in Hierarchie und Wettbewerb ein elementares Signal. Eine Studie zeigt, was man aus den Gesichtern von Kollegen und Vorgesetzten ablesen kann.
WIEN. Wieder einmal einer dieser speziellen Arbeitstage. Der Chef verlangt etwas Unmögliches. Und das am besten bis gestern. Da man ja doch auf seinen Job angewiesen ist, bleibt einem meist nur eine Reaktion, die angemessen erscheint und dennoch halbwegs Genugtuung verschafft: Man wirft dem Boss diesen besonders bösen Blick zu. Doch dem Chef scheint der Gesichtsausdruck noch nicht einmal aufzufallen. Was man bislang wohl mit Präpotenz oder mangelnder Empathie des Vorgesetzten erklärt hat, hat offenbar einen tief greifenden psychologischen Hintergrund: Eine internationale Studie will herausgefunden haben, dass Gesichtsausdrücke von Vorgesetzten wesentlich besser und eindeutiger identifiziert werden als jene von Untergebenen. „Das hat wohl mit jahrelanger Konditionierung und dem sozialen Kontext zu tun“, schreibt Marc Méhu. Der Psychologe der Wiener Webster Private University hat mit Kollegen der Universität Arkansas die Studie „Sex and Leadership“durchgeführt. Die Erhebung belegt, welchen Einfluss beruflicher Status und Geschlecht auf die Wahrnehmung von Gesichtsaus- drücken haben. „Unser Gesicht drückt nicht nur Emotionen aus. Es ist auch ein wichtiges Steuerungsinstrument für den Umgang mit Mitmenschen.“Deshalb sei es elementar, Gesichtsausdrücke im beruflichen Kontext zu untersuchen, ergänzt Méhu: „In einer Arbeitsplatzumgebung beeinflussen sie das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen und wirken sich auf Jobzufriedenheit, Arbeitseinsatz und Krankenstände aus.“
Im Rahmen der Studie wurde erhoben, inwiefern ein bestimmter Gesichtsausdruck einem Gefühl wie Missfallen, Ärger, aber auch Angst zugeordnet werden kann. Dabei wurden Geschlechterrollen im Besonderen fokussiert: Wie unterschiedlich zeigen Männer und Frauen ihre Emotionen? Ein zentrales Ergebnis: Wenn männliche Vorgesetzte sich ärgern, ist dies viel eindeutiger identifizierbar als bei Frauen. „Hierarchien und Wettbewerb sind für Männer elementar in ihrer sozialen Interaktion. Der Ausdruck von Ärger ist dabei ein bedeutendes Mittel“, erläutert Studienautor Méhu. Frauen seien in ihrer sozialen Interaktion mehr auf die Stabilität des sozialen Umfelds fokussiert. Und Ärger offen zu zeigen trage dazu kaum bei.
Im Gegensatz dazu zeigen Frauen Traurigkeit viel offener, was einem Ausdruck für Empathie und Sorge gleichkommt. Wenn weibliche Mitarbeiter indes ihrem Unmut Luft machen wollen, setzen sie vordergründig auf den Ausdruck von „Missfallen“.
Da uns solche Hintergründe (unterbewusst) bekannt sind, beeinflussen sie unsere Erwartungen. „Wir erwarten den Ausdruck von Ärger eher von einem männlichen als von einer weiblichen Vorgesetzten – und interpretieren deren Gesichtsausdrücke entsprechend.“Wenn sich eine Frau also offen ärgert, wirkt dies wesentlich stärker nach als ein Wutanfall eines männlichen Kollegen.
Diese und vergleichbare Ergebnisse sollten sich Unternehmen besonders zu Herzen nehmen, meint Studienautor Méhu. „Unternehmen können nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn Konkurrenzdenken zwischen Kollegen durch Zusammenarbeit ersetzt wird. Und dabei ist es wesentlich, Emotionen richtig interpretieren zu können.“
„Unser Gesicht ist ein Steuerungsinstrument für den Umgang mit anderen.“