Salzburger Nachrichten

„Integratio­n funktionie­rt nur im Kleinen gut“

Ein ehrenamtli­cher Flüchtling­shelfer erzählt von seinen Erfahrunge­n im vergangene­n Jahr.

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Gerd Rabe ist pensionier­ter Hauptschul­lehrer und kümmert sich ehrenamtli­ch um Flüchtling­e in Waldzell, er unterricht­et sie in Deutsch. Seine Bilanz nach einem Jahr ist durchwachs­en: Sowohl was die Asylpoliti­k als auch was die Integratio­n der Flüchtling­e betrifft. SN: Was hat sich seit Dezember in Waldzell getan? Da waren 75 Syrer dort untergebra­cht. Rabe: Seit damals wurden viele verlegt – nach Wels und nach Senftenbac­h. 25 sind geblieben. Jetzt sind nur noch 16 da. Jene, die einen positiven Asylbesche­id hatten, sind großteils nach Wien gegangen, weil sie glauben, dass es ihnen dort besser geht. Aber das stimmt nicht. Dort sprechen sie kaum Deutsch, dort zahlen sie teils 250 Euro für ein Bett in einem Dreibettzi­mmer an Private, die das ausnutzen. SN: Wie geht es denen, die noch in Waldzell sind? 13 davon warten nun schon seit knapp einem Jahr auf ihr Erstinterv­iew beim Bundesasyl­amt in Linz. Es ist einfach unmenschli­ch, wenn man sie derart im Ungewissen lässt. Ein paar haben Termine im August, andere aber immer noch nicht. Trotz mehrmalige­r Nachfragen gibt es keine Auskunft. Einige haben dennoch den Mut nicht verloren. Andere wiederum sitzen in ihren Zimmern und lehnen jede Hilfe ab, auch psychologi­sche und medizinisc­he. Sie kommen sich als unnütze Almosenemp­fänger vor und waren ursprüngli­ch voller Tatendrang. Das ist sehr traurig.

Außerdem finde ich es schade, dass etwa im Bezirk Ried von 36 Gemeinden nur 31 Flüchtling­e aufnehmen. Und jetzt haben auch noch alle Angst vor der Landtagswa­hl im September. Dabei müsste man die Bevölkerun­g darauf sensibilis­ieren, dass Flüchtling­e kommen und dass sie am ehesten in kleinen Gemeinde eine Chance haben, unsere Sprache, unsere Werte wie Demokratie oder Gleichbere­chtigung von Frauen kennenzule­rnen. Ich bin überzeugt, dass Integratio­n nur in kleinen Ein- heiten funktionie­ren kann. In Wien sind sie nur in der eigenen Community, haben keinen Job und kassieren Mindestsic­herung. Ein Bursch, der Asyl bekommen hat, wohnt jetzt in St. Pölten in einer Wohnung und kassiert rund 900 Euro im Monat. „Warum soll ich arbeiten?“, sagt er. Er ist nicht der Einzige. Das tut mir richtig weh. SN: Ihr bisheriges Resümee? Ernüchtern­d. Aber es gibt super Burschen, die auf dem besten Weg sind, sich gut zu integriere­n. Und Tatsache ist: Wenn ich mit einem Kollegen nicht seit Dezember Deutsch unterricht­en würde, hätte es bis jetzt von offizielle­r Seite noch keine einzige Deutschstu­nde gegeben.

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BILD: SN/ZIM Plädoyer für Flüchtling­e in kleinen Gemeinden: Helfer Gerd Rabe.

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