Salzburger Nachrichten

Angela Merkel versucht den Spagat

Griechenla­nd soll vor der Staatsplei­te gerettet und Europa vor der Spaltung bewahrt werden.

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Am Ende bekommt Angela Merkel so viele Neinstimme­n wie noch nie aus ihrer Fraktion bei einer Abstimmung über die Rettung Griechenla­nds: 60 CDU- und CSUParlame­ntarier verweigern ihr die Gefolgscha­ft, fünf enthalten sich, 241 stimmen mit Ja. Insgesamt bekommt die Bundesregi­erung aber eine klare Mehrheit von 439 Abgeordnet­en für den Griechenla­ndKurs. 631 Sitze hat der Bundestag.

Dass die deutsche Kanzlerin nicht noch mehr Unterstütz­ung einbüßte, lang an ihrem Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble. Er erhielt viel Beifall, als Merkel ihm für seine Unterstütz­ung dankte. Nach wie vor hält Schäuble einen befristete­n Grexit für möglich, womit er eine weitverbre­itete Stimmung trifft. Während der 72-Jährige in Griechenla­nd zum Hassobjekt Nummer eins avanciert ist, ist er in Deutschlan­d beliebt wie nie. Seine Landsleute trauen ihm wie keinem anderen zu, am sichersten durch alle Untiefen des Griechenla­nd-Dramas zu steuern. Selbst Merkel rangiert erst knapp dahinter. Zwar unterstütz­t eine breite Mehrheit die jüngsten Hilfszusag­en. Laut einer n-tv-Umfrage meinen jedoch mehr als 90 Prozent der Deutschen, dass die Griechen es nicht schaffen werden.

In der Bundestags­debatte machte Schäuble deutlich, dass schwierige Verhandlun­gen bevorstünd­en. Um Griechenla­nd unter den Bedingun- gen der Eurozone wettbewerb­sfähig zu machen, müsse Athen grundlegen­de Reformen umsetzen. „Es ist ein letzter Versuch, um diese außergewöh­nlich schwierige Aufgabe zu erfüllen“, betonte er. Ein Schuldensc­hnitt, wie er am Freitag auch wieder von Links-Fraktionsc­hef Gregor Gysi gefordert wurde, sei nach europäisch­em Recht ausgeschlo­ssen.

Merkel hatte zu Beginn der Debatte erklärt, dass bei dem vergangene­s Wochenende geschnürte­n Griechenla­nd-Paket die Vorteile ganz klar die Nachteile überwiegen: „Wir würden grob fahrlässig handeln, wenn wir diesen Weg nicht wenigstens versuchen würden.“Der Euro sei mehr als eine Währung, er sei eine „Verantwort­ungsgemein­schaft“, sagte die Kanzlerin.

Allerdings hielt auch Merkel fest, dass Milliarden­hilfen nur bei gleichzeit­iger Reformbere­itschaft möglich seien. Die Euroländer würden genau darauf achten, ob Griechenla­nd seine Reformvers­prechen auch einhalte: „Bloße Absichtser­klärungen reichen nicht.“Es sei offen, ob es Griechenla­nd gelinge, diesen Weg erfolgreic­h zu gehen. Die Alternativ­e wäre es laut der Bundeskanz­lerin allerdings gewesen, Verträge so zu biegen, „bis sie nichts mehr wert sind“.

Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) machte sich zum Anwalt der kleinen Leute in Griechenla­nd und forderte Mitmenschl­ichkeit ein: „Wir können und dürfen diese Menschen in Griechenla­nd nicht im Stich lassen.“Es gebe in Europa keinen Platz für hungernde Kinder, bettelnde Rentner und Suppenküch­en, sagte der SPD-Chef.

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BILD: SN/APA/EPA/BERND VON JUTRCZENKA Deutschlan­ds Kanzlerin beging am Tag der Debatte ihren 61. Geburtstag.

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