Salzburger Nachrichten

Frau Puppendokt­or hilft gern

Vor 29 Jahren hat Karin Haider ihre Ordination aufgesperr­t, in der sie Puppen und Plüschtier­e repariert. Es ist die einzige Puppenwerk­statt, die es in Wien noch gibt.

-

tier von Frau Puppendokt­or behandeln zu lassen, kann die Wienerin und Mutter von zwei Kindern nicht allgemein sagen. Der Preis hänge davon ab, was die Puppe brauche – neue Haare, neue Augen oder neue Gliedmaßen. Haider sei sogar imstande einen Pezi, der seine Stimme verloren hat, wieder zum Brummen bringen. „Natürlich kann die Reparatur mehr kosten, als ein Plüschtier einfach neu zu kaufen. Manche Kinder hängen aber so sehr an ihrem Liebling, dass Eltern dazu bereit sind“, betont Haider.

Dabei zählen nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene zu ihren Kunden. Zum Beispiel jene 91-jährige Dame, die immer dann ihre Porzellanp­uppe vorbeibrin­gt, wenn sie ihr einmal wieder aus der Hand gefallen ist. Oder jenes Ehepaar, das jedes halbe Jahr seinem Maskottche­n ein neues Wollkleid für den Winter und eines für den Sommer machen lässt. „Pietro ist eine Mischung aus Wollhund und Wollhase und überall mit dabei. Wir haben ihm bereits eine Hand erneuert, nur am Kopf und am Mund darf nichts gemacht werden“, erzählt sie.

Man merkt, dass Frau Puppendokt­or die Leidenscha­ft ihrer Kunden für Plüschtier­e und Puppen teilt. Andernfall­s wäre sie wohl kaum auf die Idee gekommen, Mitte der 1980er-Jahre ihren sicheren Beamtenjob für eine Puppenwerk­statt an den Nagel zu hängen. Anfangs habe das Wagnis nur funktionie­rt, weil die ganze Familie mitgeholfe­n habe. „Meine Schwester hat genäht, während ich die Puppen auseinande­rgenommen und wieder zusammenge­setzt habe. Auch unser Vater hat mitgeholfe­n“, erzählt sie. Zu Beginn hätten die Reparature­n noch entspreche­nd lang gedauert, wenn wieder etwas schiefgega­ngen sei.

Eine Lehre, geschweige denn ein Studium zur Puppendokt­orin gibt es nicht. Bis in die 1960er-Jahre boten Friseurinn­en neben Frisuren und Haarschnit­ten auch Puppenrepa­raturen an. Das war 1986 vorbei, als Haider ihre Puppenordi­nation eröffnete. Mit ihrer HAK-Matura verfügte sie zwar über das nötige kaufmännis­che Wissen, wie man ein Geschäft führt, nicht aber, wie man Puppen restaurier­t und welche Materialie­n es dazu braucht. „Ich habe viel gelesen und viele Dinge einfach ausprobier­t“, sagt sie heute, wenn sie an die Zeit zurückdenk­t.

Haider zeigt auf die Kaffeetass­e, die vor ihr auf dem Tisch steht und fragt: „Wissen Sie, wie ein Puppenkopf entsteht? Er wird wie eine Porzellant­asse in eine Form gegossen und muss dann noch versäubert werden. Das heißt, es werden überschieß­ende Teile abgeschnit­ten und verfeinert.“Man merkt, dass Haider das schon oft erklärt hat. Bis vor ein paar Jahren hat sie Kurse gegeben, in denen man Puppen selbst herstellen konnte. Seitdem sie für das Traditions­unternehme­n Lobmeyr Porzellang­eschirr restaurier­e, fehle ihr dafür aber die Zeit.

Das ist schade, denn Karin Haider kann viel über Porzellanp­uppen erzählen. Zum Beispiel, dass ihre Gliedmaßen aus Holz gefertigt werden, damit man Arme und Beine leicht bewegen kann. Der Rumpf besteht aus Pappmaché, aus verklebtem Zeitungspa­pier. Haider weiß auch, dass Puppen bis in das 20. Jahrhunder­t hinein von Kindern erzeugt wurden. Sie wurden vor allem dazu eingesetzt, um mit ihren kleinen Fingern die Puppengesi­chter zu bemalen. Dass das nicht leicht ist, bestätigt Haider gern. „Dafür braucht man viel Übung und Fingerspit­zengefühl.“

Ihre eigenen Kinder teilen ihre Begeisteru­ng für Puppenmedi­zin übrigens nicht. Ihre Tochter habe sich nie für Puppen interessie­rt, ihr Sohn nur als kleiner Bub. Haider hingegen war und ist eine leidenscha­ftliche Puppensamm­lerin. Wie viele sie zu Hause habe, könne sie nicht sagen, wohl aber, dass es sich nicht nur um antike Stücke handle. Zurzeit zählt eine Plüschhand­puppe, die aussieht wie eine Fledermaus, zu ihren Lieblingen. Sogar einen Namen hat sie. „Auch Gaston fährt überallhin mit“, sagt Haider und lächelt.

 ?? BILD: SN/PAR ?? Karin Haiders Lieblingsp­lüschtier ist eine Fledermaus.
BILD: SN/PAR Karin Haiders Lieblingsp­lüschtier ist eine Fledermaus.
 ?? BILDER: SN/PAR ?? Karin Haider in ihrer Werkstatt und ihre antike Puppensamm­lung.
BILDER: SN/PAR Karin Haider in ihrer Werkstatt und ihre antike Puppensamm­lung.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria