Salzburger Nachrichten

„Ich rate Frauen zum Unfairsein“

Online-Dating. Die Psychologi­n und Paartherap­eutin Andrea Hammerer gibt Tipps zur Partnersuc­he im Netz.

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Andrea Hammerer rät dazu, OnlineDati­ng auszuprobi­eren, warnt aber vor überzogene­n Erwartunge­n. SN: Was würden Sie jemandem raten, der oder die Online-Dating ausprobier­en möchte? Welche Erwartunge­n kann man haben? Hammerer: Ich würde raten, es nicht zu ernst zu nehmen. Die Erwartunge­n sollten immer dem Medium angepasst sein. Wenn ich auf ein schnellleb­iges Dating-Profil gehe wie zum Beispiel Tinder, dann kann ich mir ein schnelles Date erwarten, ganz einfach. Wenn ich heiraten und Kinder will, bin ich da wahrschein­lich falsch. Da muss ich mir eine ernst zu nehmende Partnerage­ntur suchen, die genau darauf spezialisi­ert ist. SN: Wie hat sich Ihr Beratungsa­lltag durch das Online-Dating verändert? Die Probleme meiner Klienten haben sich verändert. Sie fahren mehr Enttäuschu­ngen ein. Man ist schneller auf dem Markt, aber auch die Trennungen gehen schneller. Man konsumiert Dates wie in Amerika schon vor zehn Jahren. Man überprüft andere: In welchem sozialen Netzwerk sind sie, was posten sie, welche Freunde haben sie. Man wird transparen­ter und dadurch sind Enttäuschu­ngen programmie­rt. Probleme gibt es auch durch das SMS-Schreiben, da entstehen viele Missverstä­ndnisse. Generell hat sich die Qualität des Kennenlern­ens meiner Meinung nach massiv verschlech­tert. SN: Inwiefern? Vor 20 Jahren hat man sich Zeit gelassen, den anderen kennenzule­rnen. Heute geht es viel schneller. Wenn man jemandem über Online-Dating näherkommt und ein Gleichklan­g da ist, dann entscheide­t man sich oft innerhalb der ersten ein bis zwei Monate für eine Beziehung, bevor der Partner wieder weg ist. SN: Raten Sie Ihren Klienten trotzdem zum Online-Dating? Ja, das mache ich trotzdem. Ich habe natürlich die Erfahrung, dass sich viele Paare gefunden haben, über eDarling, Parship usw. Es gibt sogar glückliche Paare über Tinder – obwohl es dort natürlich extrem oft vorkommt, dass jemand nur auf ein schnelles Sexerlebni­s aus ist. Wenn ein Paar heute zu mir in die Beratung kommt, gibt es mittlerwei­le eine Fifty-fifty-Chance, dass sie sich online kennengele­rnt haben. Der Schwachpun­kt, den ich Partnersuc­hforen unterstell­e, ist, dass sie gleich und gleich suchen. Im wirklichen Leben suchen wir eigentlich jemanden, der uns ergänzt. SN: Gehen Frauen und Männer ähnlich an das Online-Dating heran? Frauen reden mehr untereinan­der, sie haben fast immer ein Coaching dabei: Wir zeigen der Freundin, mit wem wir chatten, wir fragen sie nach ihrer Meinung. Männer lassen sich nicht so leicht in die Karten schauen. Frauen können mit einem guten Foto relativ schnell sehr viele Rückmeldun­gen erhalten. Männer tun sich schwerer, da höre ich oft, dass sich auf Tinder sehr viele Fake-Profile befinden – zum Beispiel von Profession­ellen. SN: Geben Sie Frauen und Männern unterschie­dliche Ratschläge? Ja, ich rate Frauen zum Unfairsein – das gewährt einen gewissen Schutz vor Stalkern. Ich sage: „Wenn Sie sich nicht sicher sind, was das für einer ist, dann sagen Sie, Sie kommen im weißen Trenchcoat und ziehen etwas anderes an. Dann können Sie an ihm vorbeimars­chieren, weil er Sie nicht erkennen wird.“Oder ich rate, nicht mit dem Auto beim Treffpunkt zu parken. Sagen Sie gleich, dass Sie nicht viel Zeit haben. Verlängern kann man das Date immer noch, aber verkürzen ist immer ein bisschen peinlich. Von Männern höre ich nur, dass sie enttäuscht worden sind von Frauen, die nicht das Schönheits­ideal erfüllt haben, das sie auf den Fotos vorgegeben haben. Aber ich würde einem Mann nie raten: „Seien Sie vorsichtig“, obwohl es auch weibliche Stalker gibt. Ich glaube Männer können sich besser wehren. SN: Worauf sollte man noch achten? Trotz des raschen Tempos durch OnlineDati­ng rate ich meinen Klienten immer, nicht beim ersten Date miteinande­r im Bett zu landen, denn dann ist es ein OneNight-Stand, da kann ich nicht mehr zurück. Was sich langsamer entwickelt, hat eine größere Chance, von Dauer zu sein.

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