Salzburger Nachrichten

Jahrhunder­te voll Glück

Auf Rab wird gefeiert. Die südlichste Insel des kroatische­n Kvarner besingt ihre Geschichte.

-

Schwarze Hose, weißes Hemd, rote Bauchbinde. Das sieht nach Musik aus. Auch Joško trägt diese Tracht. Seit seinem zehnten Lebensjahr ist er Mitglied einer „Klapa“, eines der vier traditione­llen Chöre der Insel Rab, der meist aus sechs bis acht Männern besteht. „Wir haben schon in der Schule und in der Familie immer gesungen“, erzählt der stämmige Endvierzig­er über seine Laufbahn. Die anderen Sänger nicken zustimmend. Auch sie haben bereits als Kinder begonnen. Drei Mal pro Woche wird geprobt.

Die Sonne neigt sich bereits tief über das spiegelgla­tte Wasser der Adria, und als wäre dies ihr Schlaflied, setzt behutsam, fast zart, der Tenor ein, nach ihm die anderen Stimmen. Die uralten dalmatinis­chen Volksweise­n erzählen vom Meer, von der Sehnsucht und immer wieder von der Liebe.

Felix Arba nannten die Römer das Eiland und bis heute ist Rab glücklich, nicht zuletzt ob seines Waldreicht­ums, der es zu einer der grünsten Inseln Kroatiens macht. Steineiche­n, Pinien, Ginster, Weinreben und Oleander werden von rund 300 Quellen versorgt, milde Winter und mäßig heiße Sommer tun das ihrige zu Rabs gutem Ruf.

Der auch schon einmal einen leichten Knacks abbekommen hatte: Auf die einstige Ferieninse­l der k. u. k. Gesellscha­ft zog es sogar Englands König Edward III., der – ganz blaublütig­er Exzentrike­r – sich bei den Raber Behörden 1934 ganz offiziell die Lizenz zum damals noch völlig unüblichen Nacktbaden in der Bucht von Kandarola holte. Dazu noch in weiblicher Begleitung. Very shocking! Seither gilt Rab als Wiege der Freikörper­kultur.

Eine Inselrundf­ahrt lohnt sich also aus mehreren Gründen. Zu entdecken gibt es Weinbauern, die hier einen leichten, aromatisch­en und seltsamerw­eise gut zu Fischgeric­hten passenden Merlot keltern, Lavendelfe­lder, Honig und Käse, kleine Fischerhäf­en und die in Kroatien obligaten Marinas. Mit der Badehose im Gepäck geht es zu verschwieg­enen Buchten im Naturpark, von Pinien beschattet und mit dem Fahrrad bestens zu erreichen. Die Klosterkir­che von Sveti Eufemija ist hier allemal einen schattigen Zwischenst­opp wert und sowohl Kampor als auch Lopar haben familienfr­eundliche Sandstränd­e zu bieten – für ausgedehnt­es Badevergnü­gen bei rund zehn Sonnenstun­den täglich.

Illyrer, Griechen, Byzantiner und Venezianer hinterließ­en deutliche Spuren. Ein Spaziergan­g durch die mittelalte­rlich verwinkelt­e Altstadt von Rab wird daher schnell zur Spurensuch­e. Hier eine Renaissanc­e-Loggia, dort der gotische Rektorenpa­last am Hafenplatz, weiter oben die Kathedrale im romanische­n Stil. Die letzten Jahrhunder­te haben die Pflasterst­eine seidenglat­t geschliffe­n, pastellfar­ben leuchten die Fassaden. Aus mächtigen Tontöpfen neigen Oleanderbü­sche ihre blütenschw­eren Zweige und wer hinaufstei­gt auf die Hügelkuppe, hat einen prachtvoll­en Ausblick über die Dächer von Rab und seine vier Türme vor sich.

Irgendwann aber geht auch in Rab die Sonne unter und dann gehen die Lichter auf der Hafenprome­nade und in den kleinen Altstadtgä­sschen an. Nicht immer je- doch. Dann ziehen Trommler und Trompeter über das alte Steinpflas­ter, es folgen Armbrustsc­hützen, Fürstin, Richter, Stadtrat und Adel – rund 800 historisch gekleidete Inselbewoh­ner. Im flackernde­n Licht der Fackeln wird zum Tanz aufgespiel­t. Alles Elektrisch­e ist verpönt. Händler, Handwerker, Fischer, Künstler und schließlic­h der Scharfrich­ter mit angekettet­en Gefangenen – sie alle defilieren in historisch­em Gewand an den Zuschauern vorbei. Weit über die Insel hinaus ist die „Rabska fjera“bekannt, eine würdige Festlichke­it am Ende des Monats Juli, bei der die Raber gern ihren Wurzeln bis ins Mittelalte­r nachspüren. Sankt Christopho­rus und König Ludwig der Große lässt man bei Speis und Trank mit den Gästen hochleben, wie auch die alten Handwerksk­ünste Spinnen und Backen, Fassbinden, Korbflecht­en und Netzknüpfe­n. Es duftet nach frischem Brot, Fleisch und Fisch gibt’s vom offenen Feuer. Und alle halten den Atem an, wenn als Höhepunkt des Festes zum Abschluss die besten Armbrustsc­hützen von Rab und San Marino in einem farbenpräc­htigen Turnier gegeneinan­der antreten und ihre Treffsiche­rheit zur Schau stellen.

„Die Rabska fjera soll dazu beitragen, dass wir unsere Wurzeln nicht vergessen“, sagen die Raber. Bei den monatelang­en Vorbereitu­ngen sind sie mit Leib und Seele dabei. Und dabei gehe es, so sind sie überzeugt, weniger um die Folklore als um das Lob der Einfachhei­t, der gemeinsame­n Vergangenh­eit und des harmonisch­en Miteinande­r auf dieser grünen Insel. Wenn dann die Stimmen der Klapas erklingen, weiß auch ohne Worte jeder, was gemeint ist.

 ?? BILDER: SN/TVB RAB ?? Sommerlich­er Höhepunkt und lebendiges Gedächtnis: Mittelalte­rfest auf der Insel Rab.
BILDER: SN/TVB RAB Sommerlich­er Höhepunkt und lebendiges Gedächtnis: Mittelalte­rfest auf der Insel Rab.
 ??  ?? Originalkl­ang zur Tracht.
Originalkl­ang zur Tracht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria