Plädoyer für verheiratete Priester
Der neue Dekan der theologischen Fakultät in Salzburg schlägt ungewöhnliche Töne an.
Die Erzdiözese Salzburg leidet, wie der Rest Österreichs, unter großen Nachwuchssorgen bei Priestern. 2015 wurde nur ein einziger „Neuzugang“geweiht – wobei im langjährigen Durchschnitt zwischen vier und zehn Priester als Pfarrer in Ruhestand gehen und ersetzt werden müssen.
Ungewöhnlich klare Aussagen kommen dazu nun von Dietmar W. Winkler – der renommierte Kirchenhistoriker wird ab 1. Oktober sein Amt als Dekan der theologischen Fakultät in Salzburg antreten. Und somit eine Schlüsselstelle im katholischen Gefüge Salzburgs besetzen. In aller Klarheit sagt Winkler, dass Priestern sowohl die Ehe als auch Kinder gestattet werden sollten. Das wäre durch bloße Veränderung des Kirchenrechts – theoretisch – „schon morgen“möglich.
Der designierte Dekan plädiert auch für die Aufnahme von Frauen in den Klerus, jedenfalls als Diakoninnen. Wobei eine Diskussion über weibliche Priester endlich angestoßen und ergebnisoffen geführt werden müsse. Dasselbe gelte für eine erneute kirchliche Heirat von Geschiedenen.
Die Pfarren in Salzburg plagen Nachwuchssorgen – heuer wurde im Bundesland nur ein einziger neuer Priester geweiht, was Fragen zum Thema Pflichtzölibat und Frauenpriestertum neuen Auftrieb gab. Der designierte Dekan der theologischen Fakultät in Salzburg nimmt sich in diesen alten Streitfragen kein Blatt vor den Mund. SN: Herr Professor, welche theologischen Gründe verbieten es eigentlich, dass Pfarrer heiraten dürfen? Und welche, dass Frauen zu Priestern geweiht werden? Winkler: Moment – die beiden Dinge muss man auseinanderhalten. Beim Pflichtzölibat geht es ums Kirchenrecht. Den könnte man schon morgen ohne Probleme abschaffen. Bei der Priesterweihe von Frauen argumentiert die Kirche theologisch – da wird die Sache komplizierter. SN: Gut, dann fangen wir mit dem Zölibat an. Den könnte man also einfach abschaffen. Aber sollte man auch, theologisch betrachtet? Mir ist wichtig, dass ich nicht den Zölibat an sich hinterfrage. Ich spreche vom Pflichtzölibat – und ja, ich bin für dessen Aufhebung bei Priestern. Der sexuelle Verzicht ist ja ein Teil von Askese, und die spielt in allen Religionen eine große und wichtige Rolle. Askese hat auch in unseren Mönchs- und Nonnengemeinschaften einen wichtigen Platz. Wenn jemand einem Orden beitritt, dann ist die Enthaltsamkeit auch Teil der Berufung. SN: Und wenn jemand Priester werden will? Ich kann nicht sehen, warum jemand, der seine Berufung zum Priester spürt, zu einem zölibatären Leben gezwungen wird. Die angesprochene Askese – die ist ein Charisma, und ein Charisma kann man nicht verordnen. SN: Die „offizielle Kirche“wird aber doch auch Argumente für keusche Priester haben. Drei Jahrhunderte ist das Christentum ohne irgendein Zölibatsgesetz für Priester ausgekommen. Erst die Synode von Elvira Anfang des 4. Jh. verlangte die völlige Enthaltsamkeit der Priester. Die strengen Bestimmungen konnten sich nicht durchsetzen und mussten immer wieder wiederholt werden. Im Westen gilt dann 1078 als Jahr der offiziellen Einführung des Zölibats. Also über tausend Jahre nach dem Wirken Jesu. SN: Gut – vielleicht hat man sich damals ja etwas dabei gedacht. Wie in vielen Religionen spielte im 4. Jh. die Idee der „kultischen Reinheit“eine Rolle – sie ist zweifellos ein kulturhistorisches, aber kein theologisches Argument. So waren etwa auch römische Vestalinnen oder heidnische Priester zur Keuschheit verpflichtet.
Beim Zölibat hat im Westen später auch der Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser eine Rolle gespielt. Es ging darum, dass Bischöfe ohne Kinder Kirchengüter nicht vererben können, sondern diese nach deren Tod zurückfallen. Der Pflichtzölibat verhinderte also den Zugriff von Dynastien auf Kirchengüter. Was wohl auch kein theologisches Argument ist. SN: Sicher. Spannend wird es nur, wenn sich dann ein Pfarrer scheiden lässt. Müsste er dann den Job wechseln? Ich finde die Frage eigentlich unzulässig. Es gibt ja auch Priester, die am Zölibat „scheitern“. Scheitern muss man als Christ immer dürfen. Jesus ist zu den Gebrochenen gekommen und nicht zu den Perfekten. Deshalb meine ich, dass wir den Zugang der katholischen Kirche zur Ehe neu betrachten müssen. SN: Was heißt das? Dass man, rein theologisch, auch zwei Mal kirchlich heiraten dürfte? Das ist nicht ganz so einfach. Aber hier kann auch der Blick zur Ostkirche helfen: Dort gibt es Priesterehe und kirchliche Wiederverheiratung nach Scheidung unter bestimmten pastoralen Bedingungen. Nach derzeitiger katholischer Lehre lebt jemand, der mit seiner zweiten Ehefrau glücklich zusammen ist, quasi ununterbrochen in Sünde. Ich denke, das ist ein wirklich falscher Zu- gang. Diese Frage wird ein spannender Knackpunkt im Herbst – dann findet die Familiensynode in Rom statt. Über die Ehetheologie muss man grundlegend diskutieren. SN: Zurück zu Frauen als Priester – Sie sagen, hier wird es theologisch kompliziert? Ich sage vor allem, dass hier die kircheninternen Meinungen weit auseinandergehen und schon jede Diskussion äußerst schwierig ist. SN: Aber sind weibliche Priester mit der christlichen Lehre vereinbar oder nicht? Nun, Tatsache ist, dass viele christliche Kirchen diese Frage offensichtlich mit Ja beantworten. Die katholische und orthodoxe Kirche eben nicht. Aus dem Neuen Testament sind keine direkten Aussagen ableitbar, welches Geschlecht Diakone, Priester oder Bischöfe haben müssen. Die Frage ist hier durch alte Vorstellungen vom „Wesen der Frau“belastet. Jedenfalls gehört aber der Diakonat der Frau, der bis ins Mittelalter gut bezeugt ist, möglichst bald wieder eingeführt. Gemeinsam mit verheirateten Priestern würde das eine neue Dynamik in die katholische Kirche bringen. SN: Und was ist nun mit weiblichen Priestern? Zum Frauenpriestertum braucht es eine freie, ergebnisoffene und vor allem theologisch fundierte Diskussion. Diese wurde von Rom leider für beendet erklärt. Man muss sich anschauen, warum andere christliche Konfessionen sehr wohl Priesterinnen weihen und welche theologischen Argumente es dafür gibt. Rein soziologisch argumentiert wäre der Fall ja klar: Aus Gleichberechtigungsgründen müsste man das Frauenpriestertum einführen.
„Verheiratete Priester brächten neue Dynamik.“Dietmar W. Winkler