Hasspostings können den Job kosten
Die Hetze im Netz nimmt zu. Schärfere Gesetze sollen entgegenwirken. Schon jetzt kann ein Kommentar im Internet zur Entlassung führen.
Ein Lehrling, eine Supermarktmitarbeiterin und zwei Rettungskräfte. Sie alle haben in den vergangenen Tagen ihren Job verloren. Der Grund: Sie haben im Internet gegen Asylsuchende gehetzt.
„Viele glauben, das Internet sei ein rechtsfreier Raum“, erklärt Helga Kempinger, Arbeitsrechtsexpertin bei der Arbeiterkammer Linz. Doch durch Hasstiraden im weltweiten Netz kann man den Job verlieren, arbeitsrechtlich ist das gedeckt.
„Eine strafbare Handlung, die mich gegenüber meinem Arbeitsgeber vertrauensunwürdig macht, ist ein Grund für eine fristlose Entlassung“, sagt Kempinger. Das gilt für Angestellte, Lehrlinge und Arbeiter.
Strafbar ist die Hetze im Internet wegen des Verhetzungsparagrafen. Wer etwa öffentlich zur Gewalt gegen bestimmte Gruppen oder Religionen aufruft, ist demnach mit bis zu zwei Jahren Freiheitsentzug zu bestrafen. Mit der kommenden Strafrechtsreform, die im Jänner 2016 in Kraft tritt, nimmt der Paragraf deutlich an Schärfe zu.
Ab dann ist auch die Hetze gegen die vage Gruppe „Ausländer“strafbar, und es reicht, wenn nur 30 Menschen online das Posting sehen konnten, bisher waren es 150 Menschen. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, erklärt die Strafrechtsexpertin Susanne ReindlKrauskopf. Die Gesetzgebung sei bisher den neuen Technologien hinterhergehinkt.
Doch für den Verhetzungsparagrafen muss der Angeklagte auch wirklich die Menschenwürde der Angehörigen einer gesellschaftlichen Gruppe verletzen wollen. Er muss also vorsätzlich handeln. Manche Kommentare im Netz sind somit unappetitlich, aber nicht strafbar.
„Für die fristlose Entlassung spielt es allerdings keine Rolle, ob sich die Staatsanwaltschaft mit dem Fall beschäftigt oder nicht“, erklärt die Arbeitsrechtsexpertin.
Fest steht, dass im Zuge der aktuellen Asyldebatte immer mehr Fälle auf den Schreibtischen der Staatsanwaltschaften landen. Auch die Sicherheitsbehörden befürchten eine Zunahme der Hetze im Internet.
Die Gründe dafür liegen laut Experten, darunter Medienpsychologe Peter Vitouch, vor allem in den Möglichkeiten, die die neuen Medien bieten.
Zuletzt sah sich der Österreichische Alpenverein mit dem Problem konfrontiert, weil dort ein Flüchtlingsprojekt läuft. Beim Alpenverein will man nun härter gegen Verfasser von Hasspostings vorgehen.
WIEN. Asylsuchende sollen die Klippe runtergestoßen, in die Wüste geschickt oder angezündet werden. Das meinen zumindest Internetnutzer, die derzeit in sozialen Medien sogenannte Hasspostings verbreiten.
Der jüngste Fall von Hetze im Internet veranlasste eine große Supermarktkette, eine Mitarbeiterin zu entlassen. Die Grazerin hatte auf Facebook bedauert, dass bei einem Brand vor dem Asylerstaufnahmezentrum in Traiskirchen vergangene Woche nur eine Wiese und nicht die Gebäude gebrannt hätten: „was? vor den Mauern. In den (sic!) Gebäude wäre besser. schlecht gezielt.“Das Arbeitsverhältnis wurde beendet.
Auch eine Hilfsorganisation musste jüngst zwei Mitarbeiter entlassen, weil sie fragwürdige Kommentare im Internet hinterlassen hatten. So hatte eine Helferin Asylsuchende als „Sozialschmarotzer“beschrieben. Näheres zu den beiden Fällen wollte man bei der Rettungsorganisation nicht sagen. Doch man habe spezielle Richtlinien, wie sich Mitarbeiter im Dienst auf sozialen Netzwerken zu verhalten haben. Laut Arbeitsrechtlern der Arbeiterkammer ist ein Hassposting im Internet jedenfalls ein Entlassungsgrund.
Das war auch im Fall des Porsche-Lehrlings so, der schrieb, dass Asylsuchende mit dem Flammenwerfer verbrannt werden sollten. Doch es gibt im Netz auch Widerstand gegen solche hetzerischen Kommentare. Der 42jährige Tiroler Sascha T. entlarvt mit einer Facebook-Gruppe Hassposter. Auch der Fall des PorscheMitarbeiters wurde von ihm aufgedeckt. Dessen Entlassung fand T. übrigens zu hart.
82 Anzeigen habe die Gruppe mit mittlerweile 300 Mitgliedern in nur neun Tagen eingebracht. Dass der Ton im Internet schärfer wird, bestätigt auch der Direktor des Verfassungsschutzes, Peter Gridling. Die Meldestelle für NS-Wiederbetätigung verzeichnete im Vorjahr 3353 Meldungen, 630 davon wurden als strafrechtlich relevant eingeordnet. Das sei ein Anstieg um 30 Prozent gegenüber dem Jahr 2013. „Besonders im Zusammenhang mit dem Thema Asyl steigen die Äußerungen, die strafrechtlich relevant sind“, erklärte Gridling im Ö1- Morgenjournal am Donnerstag.
Der Medienpsychologe Peter Vitouch glaubt aber nicht, dass der Hass in der Gesellschaft mehr wird. Er werde nur sichtbarer durch das Internet.
„Die Neuen Medien sind verführerisch.“In einer momentanen Aufregung habe man früher vor sich hin geschimpft oder am Stamm- tisch geflucht. „Heute setzt man sich vor den Computer und schreibt drauflos.“Mit verheerenden Folgen. Denn die Aussage sei plötzlich öffentlich und nicht mehr zu löschen. „Sie steht für immer im Netz.“Viele Internetnutzer wollten durch solche provokanten Postings vor allem Aufmerksamkeit erregen. „Wir wissen, dass Reaktionen oder Likes auf ein Posting im Internet als Belohnung gesehen werden.“Sprich, je provokanter das Posting, umso mehr Reaktionen, umso besser für das Ego.
Vielleicht schreiben deshalb viele mittlerweile unter ihrem richtigen Namen solche Postings. Wurde vor ein, zwei Jahren vor allem noch unter Pseudonymen gehetzt, ist mittlerweile klar, wer hinter den Hasstiraden steckt.
Um Hetzparolen einzudämmen, greifen die Betreiber von Foren zusehends zu drastischen Gegenmaßnahmen. So überlegen Medien in Deutschland mittlerweile, dass ihre Onlineartikel gar nicht mehr kommentiert werden dürfen. Das Internet, das als Bastion der Meinungsfreiheit galt, werde zunehmend zensuriert, befürchten Kritiker.
Der Österreichische Alpenverein, der zuletzt auf Facebook Opfer dieser Hasspostings wurde, weil er ein Flüchtlingsprojekt beworben hatte, überlegt nun rechtliche Schritte. „Auch die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt bereits gegen unbekannte Täter“, erklärt eine Alpenvereins-Sprecherin. „Es wurde in jedem Fall eine rote Linie übertreten.“Die dortigen Gremien prüfen gerade, ob Mitglieder wegen solcher Hasspostings sogar aus dem Verein ausgeschlossen werden sollen.
„Das Internet macht den Hass in der Gesellschaft sichtbar.“
Peter Vitouch, Medienpsychologe