„Das Frauenthema nervt“
Giedrė Šlekytė ist im Dirigentenwettbewerb der Salzburger Festspiele.
Dass sie beruflich oft auf das Frausein angesprochen werde, sei mühsam. „Künstler sollen durch Leistung überzeugen, egal ob männlich oder weiblich“, sagt Giedrė Šlekytė. Im Vorfeld von Konzerten – wie jenem heute, Samstag, bei den Salzburger Festspielen – werde von der Presse aber vor allem das Genderthema aufgegriffen.
„Meine männlichen Dirigentenkollegen werden über die Musik gefragt, ich muss oft über die Geschlechterfrage reden. Dabei hätte ich auch Lust, über Musik zu sprechen.“In ihrer Heimat Litauen sei die Genderfrage weniger virulent. „Wir haben schließlich auch eine Frau Präsidentin“, erläutert die Dirigentin. Natürlich sei es wichtig, dass Frauen in diesem Beruf Akzeptanz fänden, doch in der jungen Ge- neration habe sie ohnehin viele Kolleginnen.
Insgesamt sei allerdings die Frauenquote am Dirigentenpult noch niedrig. Zwar seien Frauen schon seit geraumer Zeit zum Dirigierstudium zugelassen, doch „eine solche Umwälzung braucht Zeit“, sagt die Musikerin. „Ich denke, ein Weg ist, ständig darüber zu sprechen, ein anderer ist, Frauen einfach dirigieren zu lassen und kein großes Aufheben darüber zu machen.“
1989 als Tochter eines Mathematikers und einer Zahnmedizinerin in Vilnius geboren, war ihr die Musik keinesfalls in die Wiege gelegt. Das sei kein Nachteil: „Musiker leben oft in einer eigenen Welt, durch meine Familie habe ich Bodenhaftung außerhalb der Musikwelt.“Dieser Austausch sei ein schöner Kontrast und eine Bereicherung. Zur Musik fand Giedrė Šlekytė über einen Zufall: „Meine Schwester sang in einem Kinderchor. Die Chorleiterin meinte, dass ich eine schöne Stimme habe, und empfahl mir eine musische Schule.“Der Berufswunsch habe sich von Sängerin, Tänzerin, Journalistin bis zur Dirigentin gewandelt: „Ich hatte wirklich tolle Lehrer, die mir die Tür zu einem eigenständigen Denken geöffnet haben.“
Individualität sei im Dirigentenberuf wichtig, um den eigenen Weg konsequent zu gehen. „Aber da war bei mir nie die Gefahr. Schon in diversen Meisterklassen konnte ich Ratschläge nur umsetzen, wenn ich davon überzeugt war. Das ist bis heute so geblieben“, sagt die Dirigentin. Sie studierte an der Musikuniversität in Graz bei Johannes Prinz und Martin Sieghart sowie in Zürich und Leipzig, wo sie heute lebt. Zurzeit sei sie viel unterwegs.
In Salzburg ist sie eine der drei Kandidatinnen und Kandidaten des Dirigentenwettbewerbs, eines Nachwuchsförderprogramms der Salzburger Festspiele für junge Dirigentinnen und Dirigenten.
Im Konzert mit der Camerata Salzburg im Großen Saal des Mozarteums wird Giedrė Šlekytė unter anderem ein Stück Franz Schuberts aus der Schauspielmusik zu „Rosamunde“präsentieren: „Schubert ist ein wundervoller Komponist, dessen Musik große Schönheit und Einfachheit in sich vereint.“Außerdem nimmt sich die Dirigentin ei- nes Komponisten aus ihrem Heimatland Litauen an: „Es war Vorgabe der Salzburger Festspiele, im Wettbewerb um den ,Young Directors Award‘ einen Komponisten aus dem Heimatland zu präsentieren. Ich habe Osvaldas Balakauskas gewählt und werde seine ,Meridionale‘ dirigieren.“
Etwas aufgeregt sei sie schon, „aber die größte Aufregung erlebe ich immer vor der ersten Probe“.