Hinterher kennt man den Anfang vom Ende
András Schiff startete den „Zyklus letzte Sonaten“von Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert.
Ob es bei einem Komponisten die „letzten Sonaten“waren, die er schrieb, weiß man ja erst nach seinem Ableben. Keiner schreibt, wie etwa Richard Strauss über seinen „Vier letzten Liedern“, dies ausdrücklich dazu, auch nicht Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert. Dennoch hat Sir András Schiff einen dreiteiligen Zyklus bei den Salzburger Festspielen gestartet, der den vier Wiener „Klassikern“gilt und die drei jeweils letzten Werke des Genres präsentiert. Der ungarische Weltklassepianist, der ob des politischen Rechtsrucks und wegen antisemitischer Verunglimpfungen seiner Heimat den Rücken gekehrt hat, wurde am Donnerstag im Mozarteum für seinen fulminanten Auftaktabend gefeiert.
An den drei Abenden arbeitet sich Schiff quasi chronologisch zur jeweils allerletzten Sonate vor, also treffen am kommenden Mittwoch Meilensteine der Klavierliteratur wie Beethovens Opus 111 und Schuberts B-Dur- Sonate D 960 aufeinander. Das Programm des ersten Abends wiederum vereinte so unterschiedliche Stücke wie Haydns mit Witz angereicherte Sonate Nr. 60 und Mozarts „Sonate facile“sowie Beethovens Es-Dur-Sonate und Schuberts c-Moll-Sonate. Haydn etwa war „gut drauf“, der 61-jährige Burgenländer hatte in London gerade eine Erfolgsgeschichte mit den Londoner Symphonien, wurde wie ein Star gefeiert und nicht zuletzt wegen seines Humors geliebt. Und er lebte noch viele Jahre voller Schaffenskraft nach seinen „letzten“Klaviersonaten. András Schiff spielte – auf einem Bechstein-Flügel aus dem Jahr 1921, auf dem Wilhelm Backhaus gern konzertiert hatte – das C-Dur-lichte Stück mit der „Schrecksekunde“im dritten Satz, wo Haydn vorgibt „falsch abzubiegen“, quasi mit einem Lächeln.
Nach dem geistreichen Haydn klang Beethoven sinnierend, durchgeistigt, was András Schiff mit der Spannweite zwischen Streicheln und Hämmern eindrucksvoll vorführte. In der E-Dur-Sonate op. 109, sieben Jahre vor seinem Tod entstanden, greift Beethoven in seinen Variationen auf barocke Formen zurück, kontrapunktiert, fugiert, endet nach stürmischen, auch rhythmischen Kontrasten mit einem versöhnlichen langsamen Tanzsatz. Da zeigte der Pianist, der ohnehin über jeden technischen Zweifel erhaben ist, auch quasi Bärenkräfte, um Beethovens Willen durchzusetzen.
Ernst nahm Schiff auch die vorgeblich „leichte“C-Dur-Sonate KV 545 mit Mozarts ureigenem, unverwechselbaren Ton, die Leuchtkraft und der spielerische Charme blieben erhalten. Wirklich im letzten Lebensjahr schrieb der 31-jährige Schubert seine letzten Sonaten, geradezu kämpferisch führte András Schiff in die vom Formwillen geprägte, durch geradezu beängstigend exzentrische Akzente gebrochene Klangwelt eines hörbar unglücklichen Menschen. Eine aufregend „moderne“Interpretation, die man sich von András Schiff so gar nicht erwartete.
Für den aufbrausenden Jubel bedankte sich der Meisterpianist großzügig mit einer Reihe von Zugaben, ein c-Moll-Allegretto von Schubert, eine Beethoven-Bagatelle, und als Mozarts zartes Adagio für Glasharmonika auch nicht als Sedativum wirkte, noch Schuberts Es-Dur-Impromptu, das ob des virtuosen Zugriffs den Charakter eines „letzten Worts“erhielt.
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