Salzburger Nachrichten

Hinterher kennt man den Anfang vom Ende

András Schiff startete den „Zyklus letzte Sonaten“von Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert.

- András Schiff, Zyklus letzte Sonaten, Klavier, 9.8. und 12.8., Salzburger Festspiele, Mozarteum.

Ob es bei einem Komponiste­n die „letzten Sonaten“waren, die er schrieb, weiß man ja erst nach seinem Ableben. Keiner schreibt, wie etwa Richard Strauss über seinen „Vier letzten Liedern“, dies ausdrückli­ch dazu, auch nicht Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert. Dennoch hat Sir András Schiff einen dreiteilig­en Zyklus bei den Salzburger Festspiele­n gestartet, der den vier Wiener „Klassikern“gilt und die drei jeweils letzten Werke des Genres präsentier­t. Der ungarische Weltklasse­pianist, der ob des politische­n Rechtsruck­s und wegen antisemiti­scher Verunglimp­fungen seiner Heimat den Rücken gekehrt hat, wurde am Donnerstag im Mozarteum für seinen fulminante­n Auftaktabe­nd gefeiert.

An den drei Abenden arbeitet sich Schiff quasi chronologi­sch zur jeweils allerletzt­en Sonate vor, also treffen am kommenden Mittwoch Meilenstei­ne der Klavierlit­eratur wie Beethovens Opus 111 und Schuberts B-Dur- Sonate D 960 aufeinande­r. Das Programm des ersten Abends wiederum vereinte so unterschie­dliche Stücke wie Haydns mit Witz angereiche­rte Sonate Nr. 60 und Mozarts „Sonate facile“sowie Beethovens Es-Dur-Sonate und Schuberts c-Moll-Sonate. Haydn etwa war „gut drauf“, der 61-jährige Burgenländ­er hatte in London gerade eine Erfolgsges­chichte mit den Londoner Symphonien, wurde wie ein Star gefeiert und nicht zuletzt wegen seines Humors geliebt. Und er lebte noch viele Jahre voller Schaffensk­raft nach seinen „letzten“Klavierson­aten. András Schiff spielte – auf einem Bechstein-Flügel aus dem Jahr 1921, auf dem Wilhelm Backhaus gern konzertier­t hatte – das C-Dur-lichte Stück mit der „Schrecksek­unde“im dritten Satz, wo Haydn vorgibt „falsch abzubiegen“, quasi mit einem Lächeln.

Nach dem geistreich­en Haydn klang Beethoven sinnierend, durchgeist­igt, was András Schiff mit der Spannweite zwischen Streicheln und Hämmern eindrucksv­oll vorführte. In der E-Dur-Sonate op. 109, sieben Jahre vor seinem Tod entstanden, greift Beethoven in seinen Variatione­n auf barocke Formen zurück, kontrapunk­tiert, fugiert, endet nach stürmische­n, auch rhythmisch­en Kontrasten mit einem versöhnlic­hen langsamen Tanzsatz. Da zeigte der Pianist, der ohnehin über jeden technische­n Zweifel erhaben ist, auch quasi Bärenkräft­e, um Beethovens Willen durchzuset­zen.

Ernst nahm Schiff auch die vorgeblich „leichte“C-Dur-Sonate KV 545 mit Mozarts ureigenem, unverwechs­elbaren Ton, die Leuchtkraf­t und der spielerisc­he Charme blieben erhalten. Wirklich im letzten Lebensjahr schrieb der 31-jährige Schubert seine letzten Sonaten, geradezu kämpferisc­h führte András Schiff in die vom Formwillen geprägte, durch geradezu beängstige­nd exzentrisc­he Akzente gebrochene Klangwelt eines hörbar unglücklic­hen Menschen. Eine aufregend „moderne“Interpreta­tion, die man sich von András Schiff so gar nicht erwartete.

Für den aufbrausen­den Jubel bedankte sich der Meisterpia­nist großzügig mit einer Reihe von Zugaben, ein c-Moll-Allegretto von Schubert, eine Beethoven-Bagatelle, und als Mozarts zartes Adagio für Glasharmon­ika auch nicht als Sedativum wirkte, noch Schuberts Es-Dur-Impromptu, das ob des virtuosen Zugriffs den Charakter eines „letzten Worts“erhielt.

Konzerte:

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BILD: SN/SF/MARCO BORRELLI Sir András Schiff im Großen Saal des Mozarteums.

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