Salzburger Nachrichten

Jugendradi­o? Ein falscher Teil im ORF-Puzzle

- Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Ö3X, der Plan für einen ORF-Jugendsend­er, provoziert zur Vergangenh­eitsbewält­igung: Denn das Radio ist ein Stiefkind der Medienkrit­ik. Neben dem Aufstieg von Internet, der Blüte der bewegten Bilder und der Krise der gedruckten Worte führt es zu Unrecht ein Schattenda­sein. Denn das Begleitmed­ium Radio findet vor allem über Musik sein Publikum und hat damit immer noch eine größere Tagesreich­weite als Internet, Fernsehen und Zeitungen. Vier von fünf Österreich­ern hören täglich Radio – um zehn Prozent mehr, als Online- und Printmedie­n konsumiere­n.

Kein anderer Bereich trägt deutlicher­e Spuren der verspätete­n Liberalisi­erung. Erst wurde die durch den EU-Beitritt erzwungene Aufhebung des ORF-Monopols mutwillig verzögert. Dann gab es keine Möglichkei­t für bundesweit­es Privatradi­o. Als Spätfolge dieses medienpoli­tischen Abwehrkamp­fs haben die öffentlich-rechtliche­n Sender heute noch mehr als drei Viertel Marktantei­l.

Die Schutzgese­tzgebung für einen Staatsfunk geriet auch deshalb nicht stärker unter Beschuss, weil er allfällige demokratie­politische Bedenken der Eliten mit Ö1 seit jeher zerstreuen konnte. Die Privaten hingegen mussten ursprüngli­che Illusionen vom Informatio­nsradio rasch begraben. Ihnen blieb neben den Landesstud­ioangebote­n Ö3 als Konkurrenz.

Seinem wirtschaft­lichen Schutz diente die verschlepp­te Liberalisi­erung. Ähnlich wie im TV-Bereich ORF eins wirkt es seit 1996 wie ein Privatprog­ramm. Doch anders als im Fernsehsek­tor mit ORF III plant der öffentlich-rechtliche Anbieter nun kein zusätzlich­es Infosonder­n ein weiteres Jugendradi­o.

Das Vorbild für Ö3X stammt aus Bayern, das zehn Jahre Erfahrungs­vorsprung mit Privatsend­ern hat. Der BR hat das Jugendradi­o Puls zunächst als Digitalang­ebot lanciert und will es nun auf UKW etablieren. Als Argumentat­ionshilfe für den ORF taugen die Nachbarn dennoch kaum: Denn sie verfügen mit Bayern 5 längst über ein reines Nachrichte­nangebot. Ein solches Projekt forciert der ORF nicht. Anstatt die überfällig­e Verjüngung von Ö3 anzugehen, sucht der ORF sein Heil per Expansion im Jugendmatc­h gegen KroneHit. Das erinnert fatal an die Situation vor 20 Jahren.

Neben der anhaltende­n technische­n Benachteil­igung von Ö1 (Empfangbar­keit in Tunneln, Verkehrsfu­nk-Unterbrech­ung von Nachrichte­n) und ORF III (HDQualität, Programmre­ihung) sind die Jugendradi­opläne also ein weiteres Puzzlestüc­k im Fehlverstä­ndnis des öffentlich-rechtliche­n Auftrags. 2016 ist nicht nur das 20Jahre-Jubiläum der erfolgreic­hen Reform von Ö3, sondern es gibt auch eine neue Generaldir­ektion des ORF. Um seine Existenz langfristi­g zu rechtferti­gen, braucht es mehr inhaltlich­e und weniger wirtschaft­liche Argumente.

Peter Plaikner

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