Jugendradio? Ein falscher Teil im ORF-Puzzle
Ö3X, der Plan für einen ORF-Jugendsender, provoziert zur Vergangenheitsbewältigung: Denn das Radio ist ein Stiefkind der Medienkritik. Neben dem Aufstieg von Internet, der Blüte der bewegten Bilder und der Krise der gedruckten Worte führt es zu Unrecht ein Schattendasein. Denn das Begleitmedium Radio findet vor allem über Musik sein Publikum und hat damit immer noch eine größere Tagesreichweite als Internet, Fernsehen und Zeitungen. Vier von fünf Österreichern hören täglich Radio – um zehn Prozent mehr, als Online- und Printmedien konsumieren.
Kein anderer Bereich trägt deutlichere Spuren der verspäteten Liberalisierung. Erst wurde die durch den EU-Beitritt erzwungene Aufhebung des ORF-Monopols mutwillig verzögert. Dann gab es keine Möglichkeit für bundesweites Privatradio. Als Spätfolge dieses medienpolitischen Abwehrkampfs haben die öffentlich-rechtlichen Sender heute noch mehr als drei Viertel Marktanteil.
Die Schutzgesetzgebung für einen Staatsfunk geriet auch deshalb nicht stärker unter Beschuss, weil er allfällige demokratiepolitische Bedenken der Eliten mit Ö1 seit jeher zerstreuen konnte. Die Privaten hingegen mussten ursprüngliche Illusionen vom Informationsradio rasch begraben. Ihnen blieb neben den Landesstudioangeboten Ö3 als Konkurrenz.
Seinem wirtschaftlichen Schutz diente die verschleppte Liberalisierung. Ähnlich wie im TV-Bereich ORF eins wirkt es seit 1996 wie ein Privatprogramm. Doch anders als im Fernsehsektor mit ORF III plant der öffentlich-rechtliche Anbieter nun kein zusätzliches Infosondern ein weiteres Jugendradio.
Das Vorbild für Ö3X stammt aus Bayern, das zehn Jahre Erfahrungsvorsprung mit Privatsendern hat. Der BR hat das Jugendradio Puls zunächst als Digitalangebot lanciert und will es nun auf UKW etablieren. Als Argumentationshilfe für den ORF taugen die Nachbarn dennoch kaum: Denn sie verfügen mit Bayern 5 längst über ein reines Nachrichtenangebot. Ein solches Projekt forciert der ORF nicht. Anstatt die überfällige Verjüngung von Ö3 anzugehen, sucht der ORF sein Heil per Expansion im Jugendmatch gegen KroneHit. Das erinnert fatal an die Situation vor 20 Jahren.
Neben der anhaltenden technischen Benachteiligung von Ö1 (Empfangbarkeit in Tunneln, Verkehrsfunk-Unterbrechung von Nachrichten) und ORF III (HDQualität, Programmreihung) sind die Jugendradiopläne also ein weiteres Puzzlestück im Fehlverständnis des öffentlich-rechtlichen Auftrags. 2016 ist nicht nur das 20Jahre-Jubiläum der erfolgreichen Reform von Ö3, sondern es gibt auch eine neue Generaldirektion des ORF. Um seine Existenz langfristig zu rechtfertigen, braucht es mehr inhaltliche und weniger wirtschaftliche Argumente.
Peter Plaikner