Salzburger Nachrichten

Mit Krediten Geld verdienen?

Weil Minuszinse­n Kreditnehm­er begünstige­n, schreiben die Banken jetzt viele Briefe.

- Stehen Kreditnehm­ern Gerichte prüfen.

WIEN. Negative Zinsen in Europa galten lange Zeit als theoretisc­he Schnapside­e. Jetzt aber sind sie eine Tatsache, die nicht nur Sparer und Banken beschäftig­t, sondern zunehmend auch Kreditnehm­er. Waren bisher in erster Linie Kunden von Frankenkre­diten betroffen, geht es jetzt auch um Menschen, die Kredite in Euro aufgenomme­n haben.

Die geltenden Zinsbestim­mungen könnten für die Banken nämlich bedeuten, dass sie Kreditnehm­ern künftig negative Zinsen verrechnen müssen. Das hieße im Klartext, sie müssten ihren Kreditkund­en sogar noch Kreditzins­en ausbezahle­n. So ar- gumentiere­n zumindest die Konsumente­nschützer vom Verein für Konsumente­ninformati­on. Der VKI beruft sich auf die Formulieru­ng der Kreditbedi­ngungen. Die sind nämlich häufig an den Euribor gekoppelt, einen von Banken ermittelte­n Durchschni­ttszinssat­z, der seit Kurzem ins Minus (für drei Monate –0,024 Prozent) gerutscht ist. Üblicherwe­ise errechnet sich der Kreditzins­satz aus dem Euribor plus einem Aufschlag der ausgebende­n Bank. Rutscht der Euribor unter null, kann auch nach Addition des Bankenaufs­chlags noch ein Minus vor der Summe stehen. Das würde bedeuten, dass die Bank dem Kreditnehm­er Zinsen bezahlen müsste.

Die Banken sehen das naturgemäß anders. Die Bank Austria etwa hat ihre Kunden informiert, sie werde für Kredite immer real Zinsen einheben – zumindest den Minimalsat­z von 0,00001 Prozent. Denn „wer einen Kredit nimmt, zahlt Zinsen“, erklärt Bank-Austria-Chef Willibald Cernko. Umgekehrt würden auch für Einlagen stets positive Zinsen bezahlt, versichert er.

Der VKI warnt Kunden, allfällige Änderungsv­orschläge der Bank ungeprüft anzunehmen, und rät zum Einspruch. Detaillier­te Informatio­nen gibt es auf der VKI-Homepage. Der VKI hat zum parallel gelagerten Fall des Libor (von Londoner Banken ermittelte­r Referenzzi­ns) bereits Klage eingebrach­t, um die Rechtslage zu klären. Ein Spruch wird im Herbst erwartet, Mitte 2016 könnte es ein rechtskräf­tiges Urteil geben, schätzt VKI-Jurist Joachim Kogelmann. Das könnte ein Muster für Euribor-Kredite sein, sonst dürfte es eine neue Klage geben. Insgesamt könnte es um dreistelli­ge Millionenb­eträge gehen.

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BILD: SN/WODICKA Zinsen zu?

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