Ein Weinberg an der Grenze
Die Tements betreiben ihr Weingut seit den 1960erJahren in Berghausen, direkt an der Grenze zu Slowenien. Der Keller und das Wohnhaus liegen auf dem Bergplateau, das sich direkt über die Paradelage Zieregg erhebt und einen fantastischen Ausblick auf die steilen Rebzeilen bietet. Die Weingärten sind fast ausschließlich mit Sauvignon Blanc bepflanzt. Das Terroir ist wie geschaffen für die aromatische Rebsorte, die seit 250 Jahren im Gebiet heimisch ist. Der Zieregg (auf dem Bild oben die rechte Hälfte) zieht sich von Berghausen weiter nach Slowenien, wo er Ciringa genannt wird. Nach dem EU-Beitritt Sloweniens 2004 konnte die Familie Tement dort 20 Hektar Fläche kaufen und bepflanzte sie 2006 nur mit Sauvignon Blanc.
Der Berg ist vor mehr als 20 Millionen Jahren aus einen Korallenriff entstanden. Die Einheimischen dies- und jenseits der Grenze nannten ihn schon immer Fossilienberg oder slowenisch Fosilni Breg, weil sie bei ihrer Arbeit oft versteinerte Seesterne oder Muscheln fanden. Der Muschelkalk ist prägend für den Weinbau. Darüber liegt der in der Steiermark als Opok bekannte tonreiche Mergel und fruchtbare Braunerde. Auf dem heimischen Teil der Riede wachsen teilweise recht alte Rebstöcke. Sie ist südöstlich ausgerichtet und wirkt im Vergleich zum slowenischen Teil karger. Dort ist der Humusanteil etwas höher. Der Weinberg neigt sich leicht südwestlich und ist somit um die Spur wärmer.
Mit dem Vertrag von St. Germain 1919, der nach Ende des Ersten Weltkriegs unter anderem die Grenzen von Österreich regelte, wurde der Zieregg geteilt. Seit damals führt durch den Hügel eine grüne Grenze. Armin Tement, der dies in seiner Kindheit erlebt hat, sagt: „Obwohl alles offen war, fühlte es sich immer ein wenig wie ein grauer Vorhang an. Austausch zwischen den Menschen gab es kaum.“Heute bildet er mit seinem Bruder Stefan die dritte Generation im Weingut. Vater Manfred gilt als eine der wichtigsten heimischen Winzerpersönlichkeiten. Er ist bekannt als Visionär und Perfektionist. Diese starke Vaterfigur sehen die beiden jungen Winzer nicht als Bürde, sondern als Vorbild, mit dem sie heute die Passion teilen. Im Team dritteln sie sich die Arbeit im rund 100 Hektar umfassenden Betrieb. Neben dem Zieregg besitzen sie weitere wertvolle Lagen wie Sulz, Grassnitzberg, Hochkittenberg oder Sernau.
Der Zieregg, und eben seit 2006 auch der Ciringa, hat für sie sehr große Bedeutung. International und auch in Österreich gilt der Zieregg Sauvignon Blanc als einer der gesuchtesten Weine. Der Ciringa ist das Herzblutprojekt der Familie. Nach dem Kauf der slowenischen Flächen wurde der Altbestand gerodet und mit sensibel ausgewählten, streng selektionierten Klonen und dem Boden angepassten Unterlagsreben neu bepflanzt. 2009 konnte die Jungfernlese eingebracht werden.
Der Tement’sche Keller in Österreich ist nur 500 Meter vom Ciringa entfernt und mit einer Straße verbunden. Somit wäre es am einfachsten, die Trauben zu lesen und nach Berghausen zum Keltern zu bringen. Das EU-Weinrecht sieht diese Möglichkeit allerdings für die Produktion von Qualitätswein mit Herkunft nicht vor. Wein, der aus einer ausgewiesenen Region stammt und auch so bezeichnet wird, muss an Ort und Stelle verarbeitet werden. Um dem gerecht zu werden, musste die Familie auf slowenischem Gebiet eine Möglichkeit zum Keltern der Trauben schaffen.
Dieser zusätzliche Aufwand erscheint ein wenig wie ein Schildbürgerstreich oder eine unsinnige bürokratische Hürde. Armin Tement meint dazu aber, dass es zwar auf den ersten Blick sinnlose Mehrarbeit bedeute, Her- kunftsbezeichnungen aber nur durch die Einhaltung aller Vorschriften geschützt werden könnten. Würden sie die Trauben vom Ciringa in Berghausen verarbeiten, dürfte der Wein nur als Tafelwein aus der EU vermarktet werden. Der Ciringa rangiert heute aber laut Weingesetz als „Vrhunsko Vino ZGP“in der höchsten slowenischen Prädikatsstufe.
Die Verarbeitung unterscheidet sich nur in einigen wenigen Details wie der Ganztraubenpressung und einer etwa fünfstündigen Maischestandzeit vom Zieregg. Die Weine vergären im Edelstahl im Kelterhaus oberhalb der Lage Ciringa. Ist der Prozess abgeschlossen und der Most offiziell Wein, wird er in Transporttanks zum Keller nach Österreich gefahren, wo er auf der Feinhefe weiter reift. Abgefüllt wird nach zwölf bis 18 Monaten, je nach Weinjahr. Überprüft wird alles streng von der slowenischen Kellereiinspektion.
Das Etikett des Ciringa ziert ein versteinerter Seestern. Der aktuelle Jahrgang 2014 duftet nach gelben Früchten, Pfirsich und Ananas, und ist zart kräuterwürzig. Eine mineralische, erfrischende Note zieht sich durch den ganzen Wein, er wirkt puristisch und dabei enorm trinkfreudig. Als Abbild seiner Herkunft ist er ein wundervoller Begleiter zu leichter Küche, Meeresfrüchten und Fisch. 2011 kelterten die Tements zusätzlich eine Ciringa Reserve, die erst heuer auf den Markt kam. Der straffe, rauchige und fordernde Wein hat Lagerpotenzial. Wer schon jetzt davon kosten will, sollte ihn unbedingt dekantieren.
Vom Zieregg ist aktuell der 2013er zu haben. Er reifte 18 Monate auf der Feinhefe in gebrauchten Eichenfässern und wirkt fast wie ein schlummernder Riese. Im Bukett lässt er mit Zitrus-, Hollerblüten- und Melissenoten schon jetzt seine gebündelte Aussage erahnen. Am Gaumen ist er charaktervoll und unglaublich tiefgreifend strukturiert – ein Wein mit großer Zukunft. Die Tements lassen alle Weine, soweit es möglich ist, bis zur Füllung schwefelfrei im Fass ruhen. So können sich die komplexen Aromen besser in den Wein einbinden. Die Primärfrucht, die vor allem durch die Gärung entsteht, tritt in den Hintergrund und der Herkunftsausdruck wird deutlicher.
Wichtig am Weingut ist auch immer der Blick über den eigenen Glasrand hinaus. Das erzählt auch Armin Tement. Er sei sehr offen. François Cotad im Gebiet Sancerre an der Loire sei für ihn derjenige, den er für seinen Umgang mit der Sorte Sauvignon Blanc besonders schätzt. Raveneau im Chablis (Burgund) ist sein favorisierter Winzer, was die Ausprägung der Herkunft mit Balance und Eleganz anbelangt. Diese Weine verkörpern eine Perfektion, die auch bei Tement jederzeit zu finden ist.
In der Südsteiermark heißt er Zieregg, in Slowenien Ciringa – der legendäre Weinhang bringt einen der ausdrucksvollsten, begehrtesten Sauvignon Blancs hervor. PETRA BADER