Hirsche und Rehe ruinieren den Wald
Anscheinend lebt in den Salzburger Wäldern zu viel Wild. Wegen der großen Verbissschäden wollen die Bundesforste die Jagd intensivieren. Als Vorbild dienen die Bayerischen Staatsforsten.
Wegen der großen Verbissschäden in den Wäldern wollen die Bundesforste die Jagd intensivieren. Als Vorbild dienen die Bayern mit Jagdmethoden, die Wild und Wald helfen.
Daniel Müller steht oberhalb der deutschen Alpenstraße zwischen Schneizlreuth und Berchtesgaden im Wald. „Früher gab es hier Tote durch Steinschlag, jedes Jahr Lawinen und Straßensperren“, sagt er. Im Wald wuchsen große Bäume und dazwischen Gras. Das genügte nicht, um Lawinen und die Steine aus der Weißwand hoch oben zu stoppen. Deshalb habe man schon in den 1980erJahren Maßnahmen gestartet, sagt Müller. Er ist Leiter des Forstbetriebs Berchtesgaden bei den Bayerischen Staatsforsten.
Zuerst habe man junge Bäume in die Grasflächen gepflanzt, sagt Müller. „Die wurden sofort weggefressen. Und die zum Schutz der Bäume errichteten Zäune räumten die Lawinen weg.“Deshalb habe man dann begonnen, intensiv zu jagen und den Wildbestand stark zu reduzieren. Der Forstbetrieb verpachtete die Jagden nicht mehr, sondern übte die Jagd selbst aus. Heute hat der Betrieb vier Berufsjäger, die Reviere von 3000 bis 5000 Hektar betreuen. Zudem werden auch noch Jahreslizenzen mit Abschussquoten an Privatjäger vergeben. Und seit Jahrzehnten ist die Schonzeit im Spätwinter aufgehoben. Das Ergebnis laut Müller: „Plötzlich sind aus dem Gras von selbst junge Bäume gewachsen. Vorher glaubte man, das Gras sei der natürliche Zustand.“
Inzwischen wächst im Bereich der Weißwand unter den alten Bäumen von selbst ein dichter junger Mischwald heran. Was diese sogenannte Naturverjüngung Geld spart, zeigte sich nach 2007. In diesem Jahr wütete der Sturm „Kyrill“und richtete auch an der Weißwand enorme Schäden an. Die bayerische Regierung rechnete zunächst damit, dass es sechs Millionen Euro kosten würde, um den Schutzwald über der Alpenstraße zu sanieren. „Tatsächlich haben wir nur 80.000 Euro ausgeben“, sagt Müller. „Durch die üppige Naturverjüngung mussten wir fast nichts pflanzen.“Untersuchungen hätten gezeigt, dass weniger als zehn Prozent der Tannen von Wild verbissen seien. Und dieser Baum sei als Tiefwurzler besonders wichtig für den Schutzwald.
Ganz anders sieht es im Revier Oberheining bei Laufen aus. Hier ist es flach und der Wald ist ein Wirtschaftswald, der Bauern gehört. Aber wie im Schutzwald an der Alpenstraße sprießen auch hier junge Tannen, Ahorne, Buchen und andere Baumsorten aus dem Boden. Und es wird ebenso intensiv gejagt. „Wenn du ein Reh im Wald siehst, sind zu viele drin-
„ In Bayern steht der Grundsatz Wald vor Wild im Gesetz.“
Daniel Müller, Forstbetriebsleiter
nen“, meint Josef Ratzesberger zu den Waldbesitzern. Ratzesberger hat seit über 20 Jahren die Jagd in Oberheining gepachtet. „Die Schälschäden bei den Bäumen sind von 40 Prozent auf null zurückgegangen, die Zahl der verbissenen Tannen von 50 Prozent auf unter drei Prozent.“Laut dem Jäger komme auch nach der Absenkung des Bestandes noch genug Wild im Wald vor. „Diese Tiere haben ein gutes Nahrungsangebot und meist ein gutes Gewicht.“Das sei wald- und wildfreundliche Jagd.
Wie viel Wild heraus muss, um dem Jungwald eine Chance zu geben, ist schwer zu sagen. Man müsse sich am Verbiss orientieren, sagt Daniel Müller. In einem Staatsforsten-Revier bei Inzell wurden nach starken Schäden in den 1990er-Jahren ein paar Jahre lang 10 bis 20 Hirsche und Rehe
pro 100 Hektar und Jahr geschossen. Inzwischen ist der Wald gesund und der Abschuss hat sich bei etwa fünf Tieren eingependelt.
Man kann nicht alle Wälder in einen Topf werfen. Dazu sind sie zu vielfältig und dazu wird auch die Jagd zu unterschiedlich gehandhabt. Tatsache ist jedoch, dass in Salzburg laut dem österreichischen Wildeinflussmonitoring 56,6 Prozent der Wälder stark verbissen sind. Bei Schutzwäldern bedeutet das zum Beispiel, dass es um Jahre länger dauert, bis sie schützen. Und es muss sehr viel Geld in die Wiederaufforstung investiert werden. Nach dem Föhnsturm „Uschi“im Jahr 2002 bezahlten die Bundesforste in Salzburg innerhalb von zehn Jahren etwa 27 Mill. Euro für die Wiederaufforstung und die aufwendige Waldpflege.
Martin Holzwieser, Leiter des Forstbetriebs Pinzgau bei den Bundesforsten, sagt, die Situation beim Wildverbiss werde nicht besser. Die Jäger würden die Abschussquoten zum Teil nicht erfüllen. Bei der Jagdvergabe 2016 ändert sich bei den Bundesforsten deshalb einiges. Holzwieser: „Wir wollen den Wildbestand und die Fütterungen reduzieren. Es gibt für jedes Revier ein Bewirtschaftungskonzept. Wo die Jagdpächter die Verantwortung für den Wald nicht mittragen wollen, haben wir uns getrennt.“Oft seien Hobbyjäger auch gar nicht in der Lage, die Quoten zu erfüllen, weil das Wild immer scheuer werde.“Deshalb werden die Bundesforste wie die Bayern zukünftig mehr Jagden selbst übernehmen und mit Berufsjägern arbeiten. Der Wildbestand werde so lange reduziert, bis die Verbissschäden akzeptabel seien.