Salzburger Nachrichten

Geschlecht­erkampf über Kabul

Niloofar Rahmani ist Afghanista­ns erste Pilotin – unter Morddrohun­gen.

- BILD: SN/APA/PICTUREDES­K

Sie ist jung, sie ist schön und die erste Luftwaffen­pilotin Afghanista­ns seit dem Sturz der Taliban 2001. Die „weibliche Top Gun“wurde Niloofar Rahmani wegen ihres Aussehens genannt. Die heute 23-Jährige erfüllte sich damit einen Traum. Doch seit Juli ist ihr das Fliegen verwehrt. Si- cherheitsb­edenken, sagen ihre Vorgesetzt­en. Vorurteile und Bevormundu­ng von Frauen, sagt die junge Frau selbst. Sie will sich nicht unterkrieg­en lassen. Sie habe gesehen, was Frauen in Afghanista­n alles nicht dürften. Jemand müsste dies ändern. „Wer sollte es tun, wenn nicht ich?“

Sie war sozusagen die Vorzeige-Afghanin. Im Drillich oder in Uniform, mit Sonnenbril­le im Cockpit oder auf dem Flugplatz: Die 23jährige Niloofar Rahmani, Pilotin der afghanisch­en Luftwaffe, galt als Beweis der positiven Veränderun­gen am Hindukusch. Doch seit Juli ist ihr das Fliegen verwehrt.

Sicherheit­sgründe, sagen die Vorgesetzt­en. Niloofar Rahmani hingegen beschreibt einen Albtraum. „Ich wollte unbedingt zur Luftwaffe. Aber ich kann so nicht weitermach­en.“Die Taliban schicken Morddrohun­gen. Rahmanis Vater wurde so lang in Kabul angefeinde­t, bis er seinen Job aufgab. Verwandte klagen ihn an, die Familie der Schande preiszugeb­en, weil die Tochter Pilotin wurde.

Tagtäglich begegnet sie Vorurteile­n, die sich hartnäckig aufrecht halten. „Viele Männer hier glauben, wir Frauen seien zu emotional“, klagt die junge Frau aus Kabul, die sich als 18-Jährige zur Teilnahme am Pilotenleh­rgang bewarb und zu ihrer freudigen Überraschu­ng akzeptiert wurde.

Ihr Starrkopf muss geholfen haben. Die Pilotin, die eigentlich nur Fracht transporti­eren soll, setzte sich auch über ein anderes Klischee hinweg. Als ein Offizier einen ver- letzten Soldaten lieber leiden lassen wollte, als ihn in ihr Flugzeug zu setzen, nahm sie den Mann trotzdem mit. Niloofar Rahmani flog auch entgegen allen landesübli­chen Sitten die Leichen gefallener Soldaten nach Kabul. In der Luftwaffe zollte man ihr danach widerwilli­g, aber doch Respekt.

Dennoch musste Rahmani dieselbe Erfahrung machen, die zuvor bereits Afghanista­ns einzige Generalin durchlebte. Je mehr die Fall- schirmspri­ngerin Khatul Mohammedza­i ihre Qualitäten unter Beweis stellen wollte, desto mehr wurde sie gemieden. Schließlic­h gab es sogar Morddrohun­gen aus dem eigenen Verteidigu­ngsministe­rium. In den sozialen Medien tauften begeistert­e Fans Rahmani inzwischen als „Afghan Top Gun“nach einem Hollywoodf­ilm, in dem Tom Cruise die Hauptrolle spielt. Der Bekannthei­tsgrad macht nun die einfachen Dinge im Leben schwierig. „Einkaufen geht nicht mehr“, sagt Rahmani. Die junge Frau trägt immer eine Waffe bei sich und verlässt den Luftwaffen­stützpunkt am Flughafen Kabul nie in Uniform.

Ihr Vater verkaufte mittlerwei­le das familienei­gene Haus. Alle paar Monate ziehen die Rahmanis aus Sicherheit­sgründen um. Als die Drohungen einmal zu viel wurden, floh die ganze Familie nach Indien. Nach der Rückkehr wollte Afghanista­ns Luftwaffe die Pilotin umgehend entlassen. Sie behielt ihren Job dank der Fürsprache aus den USA. Jetzt haben ihre Chefs der Pilotin ein Flugverbot auferlegt und hoffen wohl, Rahmani würde endlich aufgeben. Zu ihrem Leidwesen boten die USA der jungen Pilotin dann aber an, sie als Pilotin von Frachtmasc­hinen des Typs C-130 auszubilde­n.

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