Salzburger Nachrichten

Auch Puerto Rico half der harte Sparkurs nicht

Amerikas Griechenla­nd will mit seinen Gläubigern verhandeln: Pensionska­ssen und Hedgefonds.

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Während in Europa der Blick auf Griechenla­nd und die dortige Schuldenkr­ise fällt, spielt sich in der Karibik ein ähnliches Drama ab: Puerto Rico ist pleite. Der durch ein Assoziieru­ngsabkomme­n an die USA gebundene Inselstaat zahlte Anleihen in Höhe von 58 Millionen Dollar nicht zurück. Es ist der erste Zahlungsau­sfall Puerto Ricos, seit es vor 117 Jahren Teil der USA wurde. Insgesamt lasten Schulden in Höhe von 72 Milliarden Dollar auf dem kleinen Land.

Überrasche­nd kam der Zahlungsau­sfall nicht. Gouverneur Alejandro García Padilla hatte bereits Ende Juni gemeint, dass die Schulden „nicht zurückzahl­bar“seien. „Das Ausmaß der Schulden verhindert, dass wir aus dem Teufelskre­is aus Rezession und Schrumpfun­g ausbrechen. Es geht nicht um Politik, es geht um Mathematik“, sagte er. Wegen seines besonderen Status kann sich das Land nicht bankrott erklären – im Gegensatz etwa zur Stadt Detroit, die so ihre Schuldenkr­ise überwunden hat. Eine Gesetzesvo­rlage, die das auch Puerto Rico erlauben würde, steckt im US-Repräsenta­ntenhaus fest.

Das Drama begann, als 2006 Steuerpriv­ilegien für US-Firmen, die sich in Puerto Rico ansiedelte­n, ausliefen. Pharmaunte­rnehmen verließen die Insel, andere folgten. Die Industriep­roduktion brach ein. Infolge der Haushaltsk­rise – Produkt eines verschwend­erischen Staatsappa­rats – wuchs die Verschuldu­ng der öffentlich­en Hand von 63 Prozent des BIP im Jahr 2000 auf mehr als 100 Prozent 2015. Ähn- lich wie Griechenla­nd als Teil des Euroraums kann auch Puerto Rico als Teil des Dollarraum­s keine eigene Geldpoliti­k betreiben. Zudem gelten in Puerto Rico dieselben Arbeitsmar­kt- und Sozialstan­dards wie im Rest der USA. Der in Amerika übliche Mindestloh­n aber ist für puertorica­nische Verhältnis­se sehr üppig. Das Territoriu­m bringt es ge- rade einmal auf die Hälfte des ProKopf-Einkommens von Mississipp­i, dem ärmsten US-Bundesstaa­t. Dem gegenüber stehen hohe Lebenshalt­ungskosten, die zu einem guten Teil mit dem Merchant Marine Act aus dem Jahr 1920 zusammenhä­ngen: Jede Ware, die Puerto Rico auf dem Seeweg erreicht oder verlässt, muss von einem US-Schiff mit USBesatzun­g transporti­ert werden. Das erhöht die Importkost­en. Unter fremder Flagge fahrende Schiffe zahlen horrende Zölle und Steuern.

Um dem Einbruch zu begegnen, hat die Regierung in San Juan getan, was Gläubiger und Ratingagen­turen gefordert haben: Seit 2010 wurden massenhaft Jobs gestrichen; die Preise für Wasser, Benzin und Strom erhöht; höhere Steuern auf Eigentum, Verkäufe und für kleine Unternehme­n verabschie­det; Pensionen und Gesundheit­sleistunge­n beschnitte­n; das Pensionsal­ter angehoben und Schulen geschlosse­n.

Gebracht hat das wenig. Vielmehr haben die Maßnahmen in den „Teufelskre­is“geführt, von dem Gouverneur García Padilla sprach. Die Sparpoliti­k hat die Wirtschaft noch mehr abgewürgt. Vor allem junge Leute wanderten in die USA ab. Beinahe ein Zehntel der Bevölkerun­g hat im vergangene­n Jahrzehnt die Insel verlassen.

Washington hat angekündig­t, bei einem Zahlungsau­sfall nicht in die Bresche zu springen. Die Regierung in San Juan will mit den Gläubigern – vor allem Pensionska­ssen und Hedgefonds – verhandeln. Der Zahlungsau­sfall soll Druck machen, um eine Umstruktur­ierung der Schulden zu erreichen. Bei einem ungeordnet­en Zahlungsau­sfall würden die Gläubiger vermutlich noch mehr verlieren. Puerto Rico hat ein Schuldenmo­ratorium angekündig­t – Details sollen am 1. September veröffentl­icht werden. Es sieht ganz so aus, als wäre dies der Auftakt zu langen Verhandlun­gen. Griechenla­nd lässt grüßen.

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