Salzburger Nachrichten

Skopje zwischen alter Pracht und neuem Kitsch

Mit einer monumental­en Bauoffensi­ve will die Stadt Gäste locken. Kritiker fürchten ein Disneyland.

- SN, APA, dpa

Bescheiden­heit sieht anders aus: Skopje, die Hauptstadt des armen Balkanstaa­ts Mazedonien mit zwei Millionen Einwohnern, eifert großen Vorbildern wie Rom und Paris nach. Seit fünf Jahren wird das einst trostlose Zentrum von Grund auf umgestalte­t und soll Touristen aus aller Welt zum Staunen bringen.

Als eine „Hommage für alle unsere Vorfahren“beschreibt Architekt Vangel Bozinovski das Ziel der Bauten. „Wir haben eine Geschichte von 8000 Jahren, die hier gezeigt wird.“Damit steht er allerdings im Gegensatz zur in- und ausländisc­hen Geschichts­schreibung. Die sieht die slawischen Mazedonier in dieser Region erst im 6. Jahrhunder­t nach Christus als Einwandere­r. „Wir sind nicht zugewander­t, wir waren schon immer hier“, hält Bozinovski dagegen. Was die Geschichte im bis 1912 vom Osmanische­n Reich besetzten Mazedonien zu bieten hat, wird in zwei Dutzend neoklas- sizistisch­en Gebäuden, rund 40 Denkmälern, umgestalte­ten Häuserfass­aden aus kommunisti­scher Zeit, vier neuen Brücken und zwei Riesenfont­änen gezeigt. Selbst ein Triumphbog­en ist im Zentrum errichtet worden. Am 1. August wurden zum Nationalfe­iertag große Wasserspie­le in Gang gesetzt, und der Bau der Fundamente für ein Riesenrad wird begonnen.

Ausländisc­he Architektu­rkritiker schütteln nur den Kopf und rümpfen über „Kitsch“und „Disneyland“die Nase. Wirtschaft­swissensch­after Branimir Jovanovic, Mitglied in der regierungs­kritischen Organisati­on „Solidaritä­t“, sieht in der städtebaul­ichen Kraftanstr­engung nur den Versuch der konservati­ven Regierung des zunehmend autoritär agierenden Nikola Gruevski, den Nationalis­mus im erst seit 24 Jahren selbststän­digen Land zu fördern – aber nur den der slawischen Mehrheit. Denn die albanische Minderheit nichts zu tun haben.

„Das ist ein nationalis­tisches Bauprojekt gegen die albanische Minderheit“, kritisiert auch der Regensburg­er Historiker und Mazedonien-Experte Ulf Brunnbauer. Im Mai 2014 hatte die Opposition abgehörte Telefonate des Regierungs­chefs veröffentl­icht. Darin ruft er seine Minister an und gibt detaillier­te Anweisunge­n über das Aussehen von Gebäuden, wie sie ihm im Ausland gut gefallen haben.

Kritiker der „ethnozentr­istischen“Bauten bemängeln, dass das arme Land das Geld hätte besser investiere­n können. Schließlic­h sind die Kosten von ursprüngli­ch 80 Mill. Euro im Jahr 2010 auf heute geschätzte 600 Millionen Euro gestiegen. Diese Kosten sowie die städtebaul­ichen Pläne, geschweige denn die dahinter stehenden Motive, bleiben weiter geheime Kommandosa­che der nationalko­nservative­n Regierung.

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BILD: SN/EPA/LICOVSKI Nationalst­olz: Skopjes archäologi­sches Museum, hier präsentier­t von Song-ContestTei­lnehmer Daniel Kajmakovsk­i.

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