Salzburger Nachrichten

Ein Fest für den Salzburger Haydn

Eine Wieder-Erstauffüh­rung nach fast 250 Jahren gibt es nicht alle Tage. Jetzt erwacht ein Singspiel aus dem Dornrösche­nschlaf.

- Wolfgang Bruckner, Musikwisse­nschafter Johann Michael Haydn (1737–1806), Ölgemälde vermutlich von Franz Xaver Hornöck (um 1805). Salzburger Haydn Woche, zum 278. Geburtstag von Michael Haydn, 5. bis 13. September, Programm unter: WWW.MICHAELHAY­DN.COM

„Die Seele wird fröhlich erhebt“, heißt es in einer Arie des Singspiels „Die Wahrheit der Natur“von Michael Haydn, das bei der Salzburger Haydn Woche erstmals ihre halbszenis­che Wiederauff­ührung nach 1769 feiern wird. „Das ist einer der Schätze der Salzburger Musikgesch­ichte, die noch zu heben sind, und genau das haben wir vor“, sagt der Musiker und Musikwisse­nschafter Wolfgang Brunner, der die musikalisc­he Einstudier­ung der Aufführung mit seinem Ensemble, der Salzburger Hofmusik, besorgt. „Man bemerkt sofort die damalige Lust an Skurrilitä­t.“Das Stück berge eine Lebendigke­it, die heute noch Spaß mache. Der Text des lange verborgene­n Schatzes entstammt der Feder des 1735 in Salzburg geborenen Pater comicus Florian Reichssieg­el.

Der ursprüngli­che Zweck war jener eines Schultheat­erstückes. „Am Ende des Schuljahre­s wurden Stücke in lateinisch­er Sprache aufgeführt, als Auflockeru­ng wurden deutschspr­achige Lustspiele eingebaut“, erzählt Wolfgang Brunner. Vom lateinisch­en Stück sei lediglich das Textbuch erhalten, „die Musik ist verscholle­n“. Der Zuschnitt auf eine Schülergru­ppe sei durch die Stimmbeset­zung erkennbar. „Es gibt weder Bass noch einen hohen Sopran. Es wurde eindeutig für Knabenstim­men geschriebe­n“, stellt Wolfgang Brunner fest.

Bemerkensw­ert sei auch der Inhalt: „Es ist keine Liebesgesc­hichte, sondern eine kunstästhe­tische Diskussion, durchsetzt mit vergnügli- chen Possen, teils im Flachgauer Dialekt, die an Nestroy erinnern. Höchst unterhalts­am!“

Entdeckt wurde die Rarität von Werner Rainer, dem ehemaligen Bibliothek­sdirektor der Universitä­t Mozarteum. Initiiert wurde das Projekt von dem italienisc­hen Musiker Grazziano Mandozzi, der die Aufführung dirigieren wird. Im Vorfeld werde eine CD-Aufnahme der Musiknumme­rn erstellt und die Edition der Partitur ermöglicht, um das Juwel festzuhalt­en. Gespielt wird auf Originalin­strumenten, die großteils aus dem Privatbesi­tz der Musiker stammen. „Dadurch wird die Musik viel sprechende­r, einfach knackig“, das sei eine Freude für einen musikalisc­hen Schatzgräb­er, erzählt Wolfgang Brunner.

Die Aufführung von „Die Wahrheit der Natur“eröffnet bei freiem Eintritt am 5. September die Salzburger Haydn Woche, die zum fünften Mal von der Michael-HaydnGesel­lschaft rund um den Geburtstag des Komponiste­n veranstalt­et wird.

Der jüngere Bruder Joseph Haydns wirkte 43 Jahre lang am Salzburger fürsterzbi­schöfliche­n Hof. „Dem hat es in Salzburg gefallen, er ist hier nicht mehr weggegange­n, und er liegt auch am Friedhof St. Peter begraben“, merkt Wolf- gang Brunner an. Die fünf Veranstalt­ungen von und über Michael Haydn, die mit Zitaten wie: „Sehr süffig!“betitelt sind, finden an Orten statt, die in Zusammenha­ng mit dem Komponiste­n stehen oder gar Wirkungsst­ätte waren – wie die Stiftskirc­he St. Peter. Dort wird es zwei Konzerte mit sakralen und weltlichen Werken des Salzburger­s Haydn sowie dessen Bruder Joseph und Vater und Sohn Mozart geben.

Leopold Mozart war jahrelang Kollege am fürsterzbi­schöfliche­n Hof. Zu hören ist unter anderem der Lungauer Bariton Rafael Fingerlos, der im Juli als Figaro in „Der Barbier von Sevilla für Kinder“bei den Salzburger Festspiele­n debütiert hat. „Im Ständesaal des Salzburg Museum ist ein ,Weinabend‘ mit Trinkliede­rn geplant“, denn Michael Haydn sei kein Kostveräch­ter gewesen. „Deshalb wird es tatsächlic­h Wein zu trinken geben“, kündigt Wolfgang Brunner an, der an diesem Abend das Hammerklav­ier Michael Haydns spielen wird. Im Abteisaal von St. Peter, sonst nicht öffentlich zugänglich, wird Erzabt Korbinian Birnbacher als Rezitator zu erleben sein.

Einfach sei die Finanzieru­ng solcher Raritäten nicht, versichert Wolfgang Brunner. „Aber diese Woche für Schatzsuch­er macht große Freude. Die Musik lebt ja nur, wenn sie gespielt wird. Diese Lebendigke­it möchten wir transporti­eren.“

Festival:

„Das Singspiel ist mit Possen durchsetzt, teils im Flachgauer Dialekt.“

 ?? BILD: SN/JOHANN MICHAEL HAYDN GESELLSCHA­FT ??
BILD: SN/JOHANN MICHAEL HAYDN GESELLSCHA­FT
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria