Ein Fest für den Salzburger Haydn
Eine Wieder-Erstaufführung nach fast 250 Jahren gibt es nicht alle Tage. Jetzt erwacht ein Singspiel aus dem Dornröschenschlaf.
„Die Seele wird fröhlich erhebt“, heißt es in einer Arie des Singspiels „Die Wahrheit der Natur“von Michael Haydn, das bei der Salzburger Haydn Woche erstmals ihre halbszenische Wiederaufführung nach 1769 feiern wird. „Das ist einer der Schätze der Salzburger Musikgeschichte, die noch zu heben sind, und genau das haben wir vor“, sagt der Musiker und Musikwissenschafter Wolfgang Brunner, der die musikalische Einstudierung der Aufführung mit seinem Ensemble, der Salzburger Hofmusik, besorgt. „Man bemerkt sofort die damalige Lust an Skurrilität.“Das Stück berge eine Lebendigkeit, die heute noch Spaß mache. Der Text des lange verborgenen Schatzes entstammt der Feder des 1735 in Salzburg geborenen Pater comicus Florian Reichssiegel.
Der ursprüngliche Zweck war jener eines Schultheaterstückes. „Am Ende des Schuljahres wurden Stücke in lateinischer Sprache aufgeführt, als Auflockerung wurden deutschsprachige Lustspiele eingebaut“, erzählt Wolfgang Brunner. Vom lateinischen Stück sei lediglich das Textbuch erhalten, „die Musik ist verschollen“. Der Zuschnitt auf eine Schülergruppe sei durch die Stimmbesetzung erkennbar. „Es gibt weder Bass noch einen hohen Sopran. Es wurde eindeutig für Knabenstimmen geschrieben“, stellt Wolfgang Brunner fest.
Bemerkenswert sei auch der Inhalt: „Es ist keine Liebesgeschichte, sondern eine kunstästhetische Diskussion, durchsetzt mit vergnügli- chen Possen, teils im Flachgauer Dialekt, die an Nestroy erinnern. Höchst unterhaltsam!“
Entdeckt wurde die Rarität von Werner Rainer, dem ehemaligen Bibliotheksdirektor der Universität Mozarteum. Initiiert wurde das Projekt von dem italienischen Musiker Grazziano Mandozzi, der die Aufführung dirigieren wird. Im Vorfeld werde eine CD-Aufnahme der Musiknummern erstellt und die Edition der Partitur ermöglicht, um das Juwel festzuhalten. Gespielt wird auf Originalinstrumenten, die großteils aus dem Privatbesitz der Musiker stammen. „Dadurch wird die Musik viel sprechender, einfach knackig“, das sei eine Freude für einen musikalischen Schatzgräber, erzählt Wolfgang Brunner.
Die Aufführung von „Die Wahrheit der Natur“eröffnet bei freiem Eintritt am 5. September die Salzburger Haydn Woche, die zum fünften Mal von der Michael-HaydnGesellschaft rund um den Geburtstag des Komponisten veranstaltet wird.
Der jüngere Bruder Joseph Haydns wirkte 43 Jahre lang am Salzburger fürsterzbischöflichen Hof. „Dem hat es in Salzburg gefallen, er ist hier nicht mehr weggegangen, und er liegt auch am Friedhof St. Peter begraben“, merkt Wolf- gang Brunner an. Die fünf Veranstaltungen von und über Michael Haydn, die mit Zitaten wie: „Sehr süffig!“betitelt sind, finden an Orten statt, die in Zusammenhang mit dem Komponisten stehen oder gar Wirkungsstätte waren – wie die Stiftskirche St. Peter. Dort wird es zwei Konzerte mit sakralen und weltlichen Werken des Salzburgers Haydn sowie dessen Bruder Joseph und Vater und Sohn Mozart geben.
Leopold Mozart war jahrelang Kollege am fürsterzbischöflichen Hof. Zu hören ist unter anderem der Lungauer Bariton Rafael Fingerlos, der im Juli als Figaro in „Der Barbier von Sevilla für Kinder“bei den Salzburger Festspielen debütiert hat. „Im Ständesaal des Salzburg Museum ist ein ,Weinabend‘ mit Trinkliedern geplant“, denn Michael Haydn sei kein Kostverächter gewesen. „Deshalb wird es tatsächlich Wein zu trinken geben“, kündigt Wolfgang Brunner an, der an diesem Abend das Hammerklavier Michael Haydns spielen wird. Im Abteisaal von St. Peter, sonst nicht öffentlich zugänglich, wird Erzabt Korbinian Birnbacher als Rezitator zu erleben sein.
Einfach sei die Finanzierung solcher Raritäten nicht, versichert Wolfgang Brunner. „Aber diese Woche für Schatzsucher macht große Freude. Die Musik lebt ja nur, wenn sie gespielt wird. Diese Lebendigkeit möchten wir transportieren.“
Festival:
„Das Singspiel ist mit Possen durchsetzt, teils im Flachgauer Dialekt.“