Salzburger Nachrichten

Russland hebt das Chaos auf Weltniveau

- Treffen im Jahr 2005: Syriens Präsident Baschar al-Assad und sein russischer Kollege Wladimir Putin. AUSSEN@SALZBURG.COM

MOSKAU, DAMASKUS. Zu sehen sind die neuesten Schützenpa­nzer der russischen Armee vom Typ BTR82A. Zu hören sind russische Kommandos. Die britische Zeitung „The Times“präsentier­te einen dreiminüti­gen Bericht des syrischen Staatsfern­sehens. Es sollte zeigen, dass russisches Militär herumfährt. Es sei unklar, ob es sich um Soldaten der regulären russischen Armee handle oder um Söldner, sagte der Londoner Militärexp­erte Igor Sutjagin. Doch die Belege häufen sich, nach denen Kremlherrs­cher Wladimir Putin dem wankenden Regime Baschar al-Assads Waffenhilf­e leistet. Die Russen hätten bei dem Städtchen Slanfeh etwa 40 Kilometer westlich von Latakia Straßenspe­rren errichtet, sagte ein Sprecher der Freien Syrischen Armee. Nach Angaben der Rebellenwe­bsite Syria.net seien die Truppen am Aufbau einer neuen Verteidigu­ngslinie der Assad-Streitkräf­te beteiligt. Die regierungs­nahe Zeitung „Al Watan“hatte Ende August berichtet, die Russen errichtete­n eine Militärbas­is in Gabla, 25 Kilometer südlich von Latakia. Anfang September meldete die israelisch­e Zeitung „YNET“das Eintreffen russischer Kampfjets in Syrien, die Angriffe auf die Aufständis­chen fliegen sollen, auch auf die Kämpfer des terroristi­schen „Islamische­n Staats“. Und das türkische Marineport­al Bosporus Naval News publiziert­e Fotos von Militärlas­twagen und Panzerfahr­zeugen, die am 20. August auf dem russischen Kriegsschi­ff „Nikolai Filtschenk­ow“bei der Fahrt durch den Bosporus fotografie­rt worden waren.

Moskau will das nicht bestätigen. „Glauben Sie diesen Meldungen nicht“, sagte Kremlsprec­her Dmitrij Peskow. „Es gibt russische Militärber­ater und Ausbildner in Syrien“, sagt Adschar Kurtow vom Russischen Institut für Strategisc­he Studien den SN. Bei den vermeintli­chen Kampftrupp­en im Raum Lata- kia handle es sich eher um Instrukteu­re, die Waffen und Kampfwagen an die Syrer überführte­n und diese einwiesen. „Das gilt natürlich auch für Kampfjets.“Außerdem bedürfe Assad keines direkten Eingreifen­s Russlands, da ja schon iranische Einheiten seine Regierungs­truppen unterstütz­ten.

Anderersei­ts geben auch russische Experten zu, dass die Lage für Assad kritisch ist. Und nachdem der Kreml seit über einem Jahr seine Militärint­ervention in der Ostukraine leugnet, glaubt man im Westen russischen Dementis nur noch sehr bedingt. Ein Sprecher des Weißen Hauses bezeichnet­e eine Militärhil­fe für Syrien „destabilis­ierend und kontraprod­uktiv“. Kremlchef Wladimir Putin stritt einen Militärein­satz ab. Ein solcher wäre „verfrüht“. In Syrien herrscht blutiges Chaos. Assads Armee, libanesisc­he Hisbollahs und iranische Hilfskorps kämpfen gegen Rebellen, die sich in prowestlic­he, gemäßigt islamistis­che und fanatisch antiwestli­che Truppen aufsplitte­rn. Der Westen fordert Assads Absetzung und fliegt Luftangrif­fe gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“. Der Kreml hat die Politik der USA in Syrien oft als willkürlic­h kritisiert, und das nicht zu Unrecht. Aber dass der Kreml seine klammheiml­iche Teilinvasi­on in der Ukraine auf syrischem Boden wiederhole­n könnte, ist genauso selbstherr­lich und bestimmt nicht klüger. Vor allem ist es gefährlich. Ein kleiner Fehler könnte einen militärisc­hen Super-GAU auslösen. Einziger, wenn auch schwacher Trost: Bisher tun die Russen ja wieder so, als seien sie gar nicht da.

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BILD: SN/EPA
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Stefan Scholl

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