So gut ging’s noch nie schlecht
Der Sommer brachte Gästerekorde, Nachbesserungen im Steuerreformdesaster und Zusatzmillionen für die Österreich Werbung. Doch die Investitionsbremse in der Hotellerie löst sich erst langsam.
ALPBACH. Der nun meteorologisch beendete Sommer trieb die Gäste in nie da gewesener Dimension nach Österreich. Statistisch ist das durch die erste Sommerhälfte von Mai bis Juli belegt: Es kamen zehn Prozent mehr Gäste aus dem Ausland, insgesamt wuchsen die Nächtigungszahlen um 4,6 Prozent. Doch noch nie war unter den Hoteliers die Angst vor dem übertriebenen Jubel so greifbar wie 2015. Die neuen Belastungen zur Gegenfinanzierung des Steuerreformpakets, vor allem die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Beherbergung von zehn auf 13 Prozent ab dem Frühjahr 2016, bereiten der Tourismusbranche weiterhin größte Sorgen.
Erhärtet wird die Kluft zwischen Gästenachfrage und Ertragslage durch Fakten. Zwischen 2008 und 2014 fiel der reale Aufwand je Nächtigung um 12,3 Prozent auf nun 155 Euro. Im für den parlamentarischen Tourismusausschuss erstellten Lagebericht der Tourismus- und Freizeitwirtschaft 2014 wird diese Ent- wicklung relativ drastisch auf eine „generelle qualitative Verminderung der realisierten touristischen Nachfragestrukturen“zurückgeführt. Die Nachfragestrukturen hätten „massentouristische Züge“angenommen, „Verbilligungstendenzen schlugen durch“. Verkürzt bedeutet dies, dass der investitionsintensive Qualitätsausbau der Hotellerie an der Kaufkraft der Nachfrage vorbeigezielt hat.
Als Konsument verwundert dieser statistische Rückgang bei den Ausgaben. Denn der Verbraucherpreisindex vom Juli wies Hotels und vor allem Restaurants als Preistreiber aus. Seit 2008 verteuerten sich Übernachtungen um fünf, Restaurantkosten sogar um neun Prozent stärker als der gesamte Warenkorb. Für 2015 zeigt der – nur beschränkt repräsentative – internationale Hotelpreisindex des Portals Trivago einen Sprung um bis zu zehn Prozent des in Österreich seit Jahren stagnierenden Preisniveaus.
Von der Österreichischen Hotelund Tourismusbank (ÖHT) exklusiv für die „Salzburger Nachrichten“ erhobene Bilanzkennzahlen zeigen im Zehn-Jahres-Vergleich eher ein Bild der Kontinuität mit leicht steigender Tendenz. Salzburger Hotels der Kategorie Viersterne und Viersterne-Superior steigerten ihre Vollbelegstage von 166 auf 178, der Nettoumsatz pro Zimmer stieg in zehn Jahren um fast die Hälfte auf 24.907 Euro. Geringer wuchs in diesem Zeitraum der operative Ertrag, und zwar um rund ein Drittel. Zum Vergleich: In diesem Zeitraum lag Österreichs Inflationsrate bei 21 Prozent. „Dramatisch negativ hat sich in diesem Zeitraum mit einem Plus von 55 Prozent eigentlich nur die Verschuldung entwickelt“, erklärt ÖHT-Geschäftsführer Wolfgang Kleemann.
Vor diesem Hintergrund schätzt die Tourismus-Spartenobfrau der Wirtschaftskammer, Petra NockerSchwarzenbacher, die aktuellen Zahlen extrem zurückhaltend ein. „Der Gast wägt mehr denn je ab, was ihm wie viel wert ist“, sagt sie und verweist damit auf das Budgetdenken, das immer öfter den Urlaubsablauf bestimmt. Zusätzlich seien die Investitionen, um zum Gast zu kommen, ungleich höher geworden. „Die Kosten laufen einfach davon.“Trotzdem legt NockerSchwarzenbacher großen Wert darauf, nicht als Jammertante zu gelten. Nicht zuletzt weil es so noch schwieriger werde, junge Menschen für einen Tourismusjob zu begeis- tern. „Natürlich war es ein toller Sommer, der auch Einheimische motivierte, das Land zu genießen“, betont sie. Betreiber von Gastgärten und Bädern seien glücklich, andere flüchteten vor der Hitze auf die bewirtschafteten Almen. „Nach den dunklen Wolken im Frühjahr hat der Herrgott ein Einsehen gehabt“, sagt die Spartenobfrau. Die für 2016 angekündigte Sonderfinanzierung für die Österreich Werbung über vier Millionen Euro sieht sie auch als einen ersten positiven Schritt zur Abkehr von der Belastungspolitik. Wobei Nocker-Schwarzenbacher, wie auch die Österreichische Hoteliervereinigung, eine Dauerlösung gegenüber Sonderdotierungen bevorzugen würde.
Für Kleemann tragen die zusätzlichen Marketingmillionen zur Stimmungsverbesserung bei. „Normalerweise wird nach so erfolgreichen Saisonen wie zuletzt kräftig investiert. Doch die vom Gefühl, Prügelknaben der Nation zu sein, getragene Negativstimmung reduzierte die Investitionsneigung extrem.“Der ÖHT-Chef bemerkt erst eine allmählich einsetzende, wachsende Investitionsbereitschaft im Tourismus. Vor allem Nachbesserungen bei Auflagen für Betriebsübergaben hätten die Stimmung gebessert. Großprojekte seien aber kaum zu sehen, eher überschaubare Anpassungen. Förderungen aber seien derzeit leichter zugänglich als sonst. Für die ERP-Kredite wurde aktuell der Zinssatz von 1,125 auf 0,9 Prozent gesenkt.
„Dramatisch hat sich die Verschuldung entwickelt.“