Flüchtlinge als Chance?
Papst Franziskus hat für das bevorstehende Heilige Jahr allen Priestern erlaubt, allen an einer Abtreibung Beteiligten, die ernsthaft bereuen, im Rahmen der Beichte die Absolution zu erteilen, ohne die sonst nötigen zusätzlichen Schritte. Die Medienwelt hätte gut daran getan, sich vorab genauer über den kirchlichen bzw. kirchenrechtlichen Umgang mit dieser Thematik zu informieren, bevor eine Schlagzeile über eine vermeintliche Kehrtwende gezaubert wird. Vollmachten, wie der Papst sie nun allen Priestern überträgt, sind in vielen Diözesen bereits üblich.
Man muss sich fragen, ob wir denn nicht alle verrückt geworden sind, dass wir einen Schritt zur Billigung der Tötung eines ungeborenen Menschen ernsthaft als begrüßenswerte Revolution feiern, in deren Bejubelung alle miteinstimmen müssen. Eine Abtreibung ist selbstverständlich eine Tötung, das ist keine Frage der Religion, sondern der Logik. Sie macht eine Frau nicht „un-schwanger“, sondern zur Mutter eines toten Kindes. Das Argument, innerhalb der gesetzlich geregelten Frist könnte man von menschlichem Leben nicht sprechen, ist eine schwache Beruhigung – beenden wir den Herzschlag eines sich entwickelnden Kindes in Woche 8, wäre es dennoch in Woche 14 immer noch ein werdender Mensch; eine semantische Unterscheidung in „Fötus“und „Embryo“bzw. „Kind“und „Baby“ist hier ein Verweigerungsversuch. Dabei werden auch die vielen Gründe und die verzweifelten Umstände, die Frauen zu solchen Maßnahmen bringen bzw. zwingen können, ebenso unter den Tisch gekehrt, anstatt dass den Betroffenen tatsächlich geholfen wird.
So viel in aller gebotenen Kürze zu meiner persönlichen Meinung. Diese muss keineswegs gefallen, sie muss auch nicht die der Mehrheit sein. Aber es ist gut zu wissen, dass eine globale Institution die Frage der Beendigung ungeborenen Lebens nicht bagatellisiert oder politisiert. Dr. Michael Peter Vereno Der Analyse von Andreas Koller im Leitartikel der SN vom 31. August ist kaum etwas hinzuzufügen:
Österreich bekommt jährlich eine (nachträglich legalisierte) Zuwanderung von 60% von 80.000 Asylbewerbern. Plus Familiennachzug entspricht das der Größenordnung von Innsbruck. Schlank gerechnet, 120.000 pro Jahr. In zehn Jahren also 1,2 Millionen – oder zehn Städte wie Innsbruck. Das sind 15% von derzeit acht Millionen Gesamtbevölkerung von Österreich. Also das Zehnfache (!) dessen, was derzeit Konsens ist, nämlich 1,5% der Einwohnerzahl pro Gemeinde.
Die Schlussfolgerung im letzten Achtel von Kollers Leitartikel wirkt allerdings so, als ob sie ein anderer Autor geschrieben hätte. Sie ist unlogisch, aufgesetzt und nicht nachvollziehbar. In einer 180-Grad-Kehrtwendung meint Koller plötzlich, es gebe keinen Grund, sich vor diesem Zuzug zu fürchten, Europa könne neuen Schwung und neue Chancen erhalten.
Tolle „Chancen“: Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt, Sozialstaat werden aufblühen? Mehr Arbeitsplätze, eine plötzliche Explosion im Wohnungsbau und eine großzügige Ausweitung von Mindestsicherung, Gesundheitswesen und Bildungseinrichtungen?
Zur Erinnerung: Derzeit betreiben die Bundesländer Erbsenzählerei, weil der Bund mit der Drohung, „durchzugreifen“, die Gemeinden zur Aufnahme von Flüchtlingen in Höhe von 1,5% der jeweiligen Gesamtbevölkerung „motiviert“. Und das soll sich alles chancenreich zum Besseren wenden, wenn sich „der alte Kontinent Europa“zu „aktiver Politik“entschließt? Die Politik soll in Zukunft das Zehnfache dessen umsetzen, was derzeit Konsens in der Bevölkerung ist? Bei gegenläufigem Trend in etlichen EU-Staaten? Deutschland schätzt die Kosten pro Asylbewerber auf 10.000 Euro pro Jahr. Das sind bei 800.000 erwarteten Flüchtlingen acht Milliarden Euro. Im gesamten EU-Raum ist ein Vielfaches davon zu veranschlagen. Wie wäre es, wenn die EU diese Milliarden auf Basis zwischenstaatlicher Verträge für den Bau von Städten in Marokko (für afrikanische Flüchtlinge) und der Türkei (als Nachbarland für syrische/irakische Flüchtlinge) einsetzte? Vieles spräche dafür. Die Kosten entstehen ja jetzt schon für Europa. Aber kein einziger Flüchtling brauchte sich in Zukunft kriminellen Schleppern anzuvertrauen und unter Strapazierung der Genfer Flüchtlingskonvention durch ein halbes Dutzend sicherer Drittstaaten in das für ihn attraktivste EU-Land seiner Wahl durchzuschlagen. Um das Flüchtlingschaos in den Griff zu bekommen, sollte die EU viel Geld in die Hand nehmen. Und damit ihre Grenzen nachhaltig schützen. Dr. Silvester Schröger satzfähig zu machen, anstatt es – wie von Ihnen vorgeschlagen – abzuschaffen. Die finnische Milizarmee kann dabei als Vorbild gelten. Sie betreibt im Vergleich zum Österreichischen Bundesheer mit einem nahezu gleich hohen Militärbudget zusätzlich eine Marine und hat jüngst mehr als 150 Panzer wegen des auch in Europa aktuell höheren Bedrohungsszenarios zugekauft.
Wie die Jugoslawien-Kriege am Ende des letzten Jahrhunderts in Europa gezeigt haben, hat es mehrere Jahre gedauert, bis nach den Massakern von Srebrenica und den Vertreibungen der Zivilbevölkerung aus dem Kosovo die Weltgemeinschaft willens war, robust einzugreifen und die Kriegshandlungen zu beenden. Doch bis heute sind die Folgen längst nicht beseitigt, die Lage am Balkan ist nach wie vor kritisch und nur 1000 Kilometer östlich von Wien köchelt seit Jahren ein weiterer militärischer Konflikt in der Ukraine. Hinzu kommen die asymmetrischen Kriege in Syrien und im Irak mit ihren großen Flüchtlingsströmen, in denen sich Schläfer des IS verstecken sollen. Unter diesen Umständen nur auf den guten Willen möglicher Gegner anstatt auf ein einsatzfähiges reorganisiertes ÖBH für den inneren und äußeren Krisenfall zu setzen erscheint mir als ehemaligem Soldaten eines österreichischen UNO-Kontingents im Nahen Osten fahrlässig. Und im Ernstfall wird vor allem wieder die Zivilbevölkerung die größten Opfer zu beklagen haben. Dr. med. univ. Dietmar Golth