Der Hunger auf immer noch mehr Land
Konzerngewinn ist Staatsinteresse und die Menschen sind egal: Eine Doku zeigt üble Mechanismen in der Landbeschaffung.
Die Kleinbäuerin und ihr Erdäpfelacker gegen den Großkapitalismus: David-gegen-Goliath-Geschichten gehen immer gut. In Kurt Langbeins Doku „Landraub“geht es um systematische Landbeschaffung auf Kosten der Schwächsten. Doch der ehemalige ORF-Wissenschaftsjournalist erläutert die Faktenlage differenziert: Das gut gemeinte EU-Programm „Everything But Arms“(„Alles außer Waffen“) soll wirtschaftlich schwachen Ländern wie Kambodscha durch die Streichung von Einfuhrzöllen in die EU auf die Beine helfen. In der Folge beschloss die kambodschanische Regierung, erstmals großflächig Zuckerrohr anzubauen. Doch dort, wo jetzt endlose Zuckerrohrfelder stehen, konnten einst Generationen von Kleinbauern sich und ihre Umgebung mit Nahrung versorgen. Zehntausende haben nun ihre Lebensgrundlage verloren, sie wurden teilweise vom Militär aus ihren Häusern vertrieben.
Das Konzept ist immer dasselbe: Der Hunger der nördlichen Länder auf billige Nahrungsmittel macht fruchtbaren Boden in Entwicklungsländern zum begehrten Gut, die lokale Landwirtschaft geht dabei zugrunde. Lukrativ wurde das Geschäft mit dem Landraub nach der Wirtschaftskrise 2008, als an der Börse die Preise für Grundnah- rungsmittel Purzelbäume schlugen. Bei einer Investorenkonferenz in London klingt das etwa so: „In Afrika ist noch Raum für interessante Entwicklungen.“Der Agrarökonom Felix Löwenstein spricht von „Kolonialismus 2.0“, wenn er die Praktiken des Landraubs beschreibt: „Im ersten Durchgang sind wir mit Armeen im Gepäck gekommen und haben den Leuten ihr Land weggenommen. Jetzt nehmen wir es ihnen wieder weg.“Diesmal sind es Anwälte, die im Auftrag großer Agrarunternehmen etwa Dorfvorstehern in Sierra Leone das Land abluchsten, mit dem Versprechen sicherer Jahreseinnahmen. Inzwischen wird auf dem Land, von dem sich die Menschen selbst ernähren konnten, Zuckerrohr für Biotreib- stoff angebaut, mit dem sich europäische Länder die Klimabilanz schönkaufen können. Für kleinteilige Landwirtschaft ist das Überleben schwer geworden, außerhalb der EU, wo Entwicklungsgelder an Großkonzerne gehen, und auch innerhalb der EU, wo Betriebe je Hektar gefördert werden, anstatt Kleinstrukturen zu unterstützen. Dabei, so beschreibt „Landraub“, liegt hier die Hoffnung: Noch immer werden 70 Prozent der Nahrungsmittel auf der Welt von Kleinbauern und handwerklichen Fischern erwirtschaftet, mit vielfach höheren Erträgen als in der industriellen Landwirtschaft.
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