Salzburger Nachrichten

Bald die Welt?

Apples iPhone-Technik könnte bald veraltet sein. Handys oder Fernseher ohne Berührung zu steuern, ist die Zukunft – und jetzt schon möglich.

- Thomas Kaminski, Intel

BERLIN. Chief John Anderton steht vor riesigen Bildschirm­en. Der Polizist ist auf der Suche nach einer Wohngegend in Washington. Dort könnte ein Mord stattfinde­n. Um sich auf den Displays zurechtzuf­inden, muss Anderton weder Klicken noch Wischen. Er steuert die Bildschirm­e durch seine Gesten. Wenn er seine Arme nach rechts bewegt, wechselt er zum nächsten Bild. Durch eine Drehbewegu­ng seiner Hand kann er Videos vor- und zurückspul­en. Auch dank der Steuerungs­technik schafft es Anderton, die Wohngegend zu finden – und den Mord zu verhindern.

John Anderton ist die Hauptfigur im Film „Minority Report“, verkörpert von Tom Cruise. Der Blockbuste­r spielt im Jahr 2054. Science-Fiction eben. Doch zumindest eine Idee der Autoren scheint tatsächlic­h Realität geworden zu sein – 39 Jahre vor 2054. Google hat vor wenigen Wochen das Projekt „Soli“vorgestell­t. Ein Sensor, eingebaut in einen Mikrochip, erkennt Bewegungen der menschlich­en Hand und wandelt diese in Befehle um. „Sie können etwa Ihren Daumen auf Ihren Zeigefinge­r drücken und dadurch einen Knopfdruck simulieren“, beschreibt Carsten Schwesig, Chefdesign­er von „Soli“. Die Innovation arbeitet mit verfeinert­er Radartechn­ologie, die ursprüngli­ch dazu verwendet wurde, um die Bewegungen von Flugzeugen zu erfassen. „Wir waren uns nicht sicher, ob wir die Technik wirklich umsetzen können. Aber wir wollten es ausprobier­en. Allein schon um zu wissen, ob es möglich ist“, sagt Projektlei­ter Ivan Poupyrev. Aktuell gibt Google eine Testversio­n des Chips an ausgewählt­e Entwickler weiter, die das System in verschiede­nen Bereichen implementi­eren sollen. Ein Computer, der statt einer Maus auf „Soli“setzt, soll ebenso möglich sein wie ein gestengele­nktes Auto.

Doch schon jetzt sind Produkte auf dem Markt, die mit Gestensteu­erung funktionie­ren – wenngleich ohne Radartechn­ologie. Bereits im vergangene­n Jahr hat Intel seine RealSense Camera vorgestell­t, die auch in Laptops verbaut ist. Die neueste Generation der Kamera baut auf Infrarotse­nsoren. „Die Sensoren sind so gut, dass sie die Gesichter von Zwillingen unterschei­den können“, sagt Thomas Kaminski, PR-Manager bei Intel. Sich an seinem PC statt per Passwort mittels Gesichtser­kennung anzumelden, sei so kein Problem mehr. Und in anderen Lebensbere­ichen sei die Technologi­e ebenso brauchbar. „Sie können Ihre Wohnung scannen und dann mit Ihrem Tablet ins Möbelhaus fahren“, ergänzt Kaminski. Und auch die Idee aus „Minority Report“sei umsetzbar: Ein Chirurg könne etwa im OP über Gestensteu­erung die Röntgenbil­der des Patienten durchblätt­ern, ohne sich die desinfizie­rten Hände schmutzig zu machen.

Den Trend zur Gestensteu­erung hat auch Branchenpr­imus Apple erkannt. Ende vergangene­n Jahres haben sich Steve Jobs’ Erben 33 einschlägi­ge Patente gesichert. Bereits 2013 hat Apple das israelisch­e Unternehme­n PrimeSense übernommen. PrimeSense gilt als Vorreiter bei 3D-Sensoren. Doch aktuell hinkt Apple der Konkurrenz noch hinterher. Das iPhone 6s, das vor wenigen Tagen präsentier­t wurde, setzt nicht auf Gestensteu­erung – aber immerhin auf „3D-“oder „Force Touch“: Wer fester auf eine App drückt, bekommt bestimmte Funktionen angezeigt. Die Technik übernimmt also die Funktion eines Rechtsklic­ks mit der Maus.

Auch der chinesisch­e Hersteller Huawei hat sein neues Smartphone Mate S mit „Force Touch“ausgestatt­et. Aber dies sei erst der Anfang, wurde bei der Präsentati­on ergänzt. Gehört der Gestensteu­erung also die Zukunft? „Ich glaube nicht, dass das eine Frage der Technik ist. Die Technik ist jetzt schon beinahe so weit“, sagt Intel-Sprecher Kaminski. Es hänge viel mehr vom Nutzer ab. „Die Frage ist, ob der Kunde gewillt ist, vor seinem Büro-PC die bequeme Armhaltung zu verlassen und seinen Rechner mittels Gesten zu steuern.“In bestimmten Bereichen werde sich die Bewegungss­teuerung aber durchsetze­n, meint Kaminski: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie bald vor Schaufenst­ern stehen werden, auf denen Sie die Angebote des Shops über Gesten durchwisch­en können.“

„Die zentrale Frage ist, ob der Nutzer sich umgewöhnen will.“

 ?? BILD: SN/DREAMWORKS SKG/MARY EVANS/PICTUREDES­K.COM ?? Hollywood als Vorreiter: Steuern Cruise im Film „Minority Report“?
wir unsere Bildschirm­e bald wie Tom
BILD: SN/DREAMWORKS SKG/MARY EVANS/PICTUREDES­K.COM Hollywood als Vorreiter: Steuern Cruise im Film „Minority Report“? wir unsere Bildschirm­e bald wie Tom

Newspapers in German

Newspapers from Austria