Wie die menschenfreundliche Stadt erwacht
Die Städte bauen um. Autogerecht war gestern, menschengerecht ist heute. Aber „wie von selbst“geht das noch lang nicht. Salzburger Verkehrstage
Die aktuellsten Beispiele hierzulande sind die Mariahilfer Straße in Wien und die Griesgasse in Salzburg. Wie es sich im Größenvergleich der weltmännischen Bundeshauptstadt und der niedlichen Mozartstadt gehört, gibt es Fußgängerzone und Begegnungszone in Wien en gros und in Salzburg en miniature.
In beiden Fällen ist der Effekt positiv, aber es gehört zum Ritual von verkehrstechnischen Um- und Rückbaumaßnahmen in den Städten, dass die Aufregung im Vorfeld groß war. Vor allem in der Auseinandersetzung um den Vorrang von Fußgängern und Radfahrern auf der „Mahü“blieb kein politisches Auge trocken.
Die symbolische Zahl dafür, was derzeit in den Städten passiert, heißt 30:40:30. Wo derzeit noch die Fahrbahnen für den motorisierten Individualverkehr das Bild beherrschen, sollen diese künftig auf 40 Prozent des verfügbaren Raums eingeschränkt werden. Über knapp zwei Drittel des Raums sollen links und rechts der schmäleren Fahrbahn Fußgänger und Radfahrer dominieren – wobei diese Faustregel naturgemäß an die jeweilige Situation angepasst werden muss.
Die Erfahrung zeigt, dass dieses Erwachen der neuen, menschenfreundlicheren Stadt nur in kleinen Schritten vorangeht. Eine Voraussetzung ist, dass gleichzeitig mit der Verringerung des motorisierten Individualverkehrs der öffentliche Verkehr gestärkt wird. Sowohl quantitativ wie qualitativ. Das Ziel ist ja nicht, die Mobilität der Menschen in der Stadt einzuschränken. Es geht darum, sie auf verträgliche Gleise zu bringen.
Gleise sind ideal, denn die liegen nun einmal da. Viel schwieriger ist es, dem Bus den nötigen Raum zu verschaffen. Denn aufgrund des beengten Straßenraums bedeutet eine Busspur mehr eine Fahrbahn für Pkw weniger. Das ist ein Kampf Auge um Auge und Zahn um Zahn. Entschärft werden kann er nur durch attraktive öffentliche Verkehrssysteme, die dem Nutzer von der Bahn über den Bus bis zu Carsharing und Leihfahrrad eine hohe Flexibilität bieten. Die Mobilitätsbilanz muss unterm Strich positiv ausfallen. Jede neue Busspur muss sich daran messen lassen, dass mehr Menschen besser vorankommen.
Das gilt übrigens auch für die Radfahrer. Die werden Dank E-Bikes und funktionierenden Verleihsystemen immer mehr. Dieser rasch wachsenden Zahl von Radfahrern wurde noch kaum ein angemessener zusätzlicher Platz auf der Straße zur Verfügung gestellt.
Es hakt im Detail also noch sehr. Aber das Erwachen der menschenfreundlichen Stadt ist nicht mehr aufzuhalten. „Mobilität gestalten statt verschenken“ist das Thema der 13. Internationalen Salzburger Verkehrstage. Es geht um attraktive Verkehrssysteme für öffentliche Räume und um ihre Finanzierung. Die öffentliche Fachtagung findet vom Mittwoch, 30. September, bis Freitag, 2. Oktober, im WIFI Salzburg statt. „Reparatur der autogerechten Stadt – Straßen und Plätze als Lebensräume“ist Thema der Podiumsdiskussion am 30. September, 19.30 Uhr. U. a. mit Hermann Knoflacher und Stadträtin Barbara Unterkofler. Eintritt frei. Online-Anmeldung und detailliertes Programm unter:
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