Erzwungene Entschleunigung
Der Umbau der Mariahilfer Straße in eine Flaniermeile war ein schwieriges und teures Unterfangen. Kaufleute und Kunden können damit mittlerweile offenbar ganz gut leben.
WIEN. So lang Autos da sind, sind sie Teil des städtischen Lebens. Sind sie plötzlich weg, fehlen sie niemandem. Dieser Eindruck drängt sich beim Flanieren oder Radfahren auf der Wiener Mariahilfer Straße auf. Menschen sitzen auf den neuen Bänken, als wären sei schon immer hier gewesen, Kinder planschen im Wasserspiel, dann und wann tauchen Straßenmusikanten in der neuen Fußgänger-/Begegnungszone auf.
Die Aufregung, die es nicht zuletzt aus politischen Gründen im Vorfeld der 35 Millionen Euro teuren Umgestaltung der 1,6 Kilometer langen Einkaufsstraße gab, ist jedenfalls abgeflaut. Auch von den Kaufleuten der „Mahü“bzw. ihren Vertretern in der Wirtschaftskammer, die mehrheitlich gegen die „Fuzo“waren, hört man seit der Fertigstellung wenig. Die Reaktionen seien unterschiedlich, sagt Erwin Pellet, Repräsentant der Wiener Einkaufsstraßen, es gebe auch viele Unternehmen, die nicht unzufrieden seien: „Gute Firmen tun ein- fach was.“Mit Problemen kämpften eher Geschäftsbesitzer in oft nur über ein kompliziertes Einbahnstraßengewirr erreichbaren Nebenstraßen. Kritik gibt es da oder dort auch an den unklaren Regeln für die Begegnungszone.
Wie sich die Fußgängerzone auf die Umsätze der fast 1000 Geschäfte mit mehr als 5500 Mitarbeitern in der Mariahilfer Straße ausgewirkt hat, will die Wirtschaftskammer Wien Anfang 2016 erheben. Noch sei es zu früh, sagt Martin Sattler, Sprecher der Wiener Wirtschaftskammer, weil die negativen Folgen der Umbauphase noch zu stark seien. Der erste Bauabschnitt wurde Mitte November 2014 abgeschlossen, fertig ist die Zone erst Ende Juli 2016. Viel Unmut herrsche aber weiter unter Lieferanten wegen der nach wie vor nicht umgesetzten zusätzlichen Querungsmöglichkeiten. Das bringe logistische Probleme und kilometerweite Umwege mit sich, sagt Sattler. Aus Sicht der Kammer ist noch immer nicht nachvollziehbar, warum eine der frequenzstärksten Einkaufsstraßen mit vielen Millionen Euro umgebaut wurde, während andere mit Problemen kämpfen.
Die Wiener Grünen, deren Prestigeprojekt die „Mariahilfer Straße neu“war, wälzen indes bereits neue Pläne – falls sie es erneut in die Stadtregierung schaffen: Auch die Landstraßer Hauptstraße soll zum Teil verkehrsberuhigt werden. Der Umbau des zentralen Teils mit vielen Geschäften und einem kleinen Marktplatz würde laut einer Studie des Verkehrstechnikers Harald Frey im Auftrag der Grünen 2,1 bis 2,9 Millionen Euro und 60 Pkw-Stellplätze kosten – allerdings zugunsten mehr Aufenthaltsqualität für Fußgänger, wie die Grünen versichern.
Die Wirtschaftskammer ist diesmal vorsichtig: Man will konkrete Vorschläge abwarten, bevor man sich äußert. Was immer jedoch geplant werde, die Geschäftsleute sollten frühzeitig in das Projekt eingebunden werden.