Die Züge standen still: Hunderte marschierten zur Grenze
Als am Mittwoch klar war, dass keine Züge mehr nach Deutschland fuhren, begann der große Exodus am Hauptbahnhof. Die Entspannung in Salzburg führte zu Spannungen in Freilassing.
SALZBURG. „Wir wollen nach ,Germany‘“, das sagten Flüchtlinge, die am Mittwoch am Salzburger Hauptbahnhof ausharrten. Viele wurden des Wartens überdrüssig, packten ihre Habseligkeiten zusammen und machten sich zu Fuß auf den Weg in Richtung Freilassing.
Begonnen hatte es am Vormittag mit dem Versuch, rund 400 Flüchtlinge vom Bahnhof in die vorbereitete Notunterkunft in einer leeren Lagerhalle an der Straniakstraße in Salzburg-Kasern zu bringen. Dort stehen 600 Betten bereit. Vier Postbusse wurden in die Lastenstraße hinter den Bahnhof gefahren. Rund 80 Flüchtlinge stiegen bereitwillig in den ersten Bus, der auch bis Kasern fuhr. Dort kam es dann zu Diskussionen. „Wir wollen nach Deutschland, nicht hier in eine Halle“, sagte ein Flüchtling. Die wartenden Helfer von Rotem Kreuz, Bundesheer und Polizei mussten abwarten.
Die Gruppe weigerte sich auszusteigen. „Es hat dann innerhalb der Flüchtlingsgruppe zwischen Syrern sowie Afghanen und Irakern Diskussionen gegeben, wer denn eigentlich Kriegsflüchtling sei“, erzählte ein Bundesheeroffizier. Wenig später konnte ein aus Syrien stammender Grundwehrdiener zumindest seine Landsleute überzeugen auszusteigen. „Diese Gruppe ist nun in Kasern, doch die anderen haben beschlossen, zu Fuß zum Bahnhof zurückzugehen“, schilderte ein Polizeibeamter.
Mit eingeschaltetem Blaulicht eskortierten drei Streifenwagen die Flüchtlinge über die dicht befahrene Straße wieder zurück zum Bahnhof.
Dort hatte sich mittlerweile die Situation verschärft. Der Zugverkehr nach Deutschland war in der Zwischenzeit eingestellt worden. Kurz vor 11 Uhr waren über 2000 Flüchtlinge am Salzburger Hauptbahnhof. Einige von ihnen waren noch von der Nacht zuvor hier, dazu kamen noch die Rückkehrer aus der Lastenstraße und viele Neuankömmlinge. Immer wieder brachten Taxis aus Ostösterreich Flüchtlinge nach Salzburg. Ein Gruppentaxi hatte ein Korneuburger Kennzeichen, ein anderes eines von EisenstadtUmgebung.
Der Bahnhof ist nur für 2500 Personen zugelassen. Deshalb stand sogar die Sperre des Bahnhofs im Raum. Doch so weit sollte es schließlich nicht kommen. Denn die Flüchtlinge begannen gegen Mittag, den Bahnhof zu verlassen und Richtung deutscher Grenze zu marschieren. Es war kein einzelner großer Treck, der sich vom Bahnhof wegbewegte, sondern es waren viele, viele kleine Gruppen. Einige Menschen schauten immer wieder auf das Handy mit GPS-Navigation, andere hielten Ausdrucke von Google Maps in den Händen. Kleine Kinder begannen zu weinen, als sie erfuhren, dass wieder ein Fußmarsch vor ihnen liegt.
So traf man in Salzburg ab Mittwochmittag immer wieder syrische und irakische Familien mit Koffern, Rucksäcken und Plastiksackerln in der Ignaz-Harrer-Straße und der Münchner Bundesstraße und den Nebenstraßen an. „Ist die Grenze offen?“, wollen viele wissen. Und: „Germany Police, not Austria?“Sie wollen sichergehen, dass sie nicht in Österreich registriert werden, sondern in Deutschland.
Gegen 13 Uhr spitzte sich dann die Situation an der Freilassinger Grenze kurz zu. Die deutschen Polizisten begannen damit, die ersten Ankömmlinge zu registrieren und mit Polizeiautos zum Erstaufnahmezentrum nach Freilassing zu bringen. Dort schieben die Beamten seit Sonntag Sonderschichten. Mit dem großen Andrang kam man mit dieser Methode aber nicht zurecht. So warteten die Beamten schließlich, bis sich eine große Gruppe von Flüchtlingen angesammelt hatte. Mit 360 Personen gingen die Beamten dann zu Fuß weiter nach Freilassing, während die Kollegen die Neuankömmlinge in Empfang nahmen.
Am Hauptbahnhof war man indes den ganzen Mittwoch darum bemüht, die Flüchtlinge aus der Tiefgarage in die beiden Notquartiere des Landes nach Kasern und in die ehemalige Autobahnmeisterei nach Liefering zu bringen. „Die Tiefgarage war ja nur als erweiterte Wartehalle gedacht“, sagt Johannes Greifeneder, Sprecher der Stadt Salzburg. Viele ließen sich in die alte Autobahnmeisterei bringen, wie Greifeneder weiter berichtet. Das dürfte einen Grund haben: Von dort ist es zu Fuß nicht mehr weit bis zur Grenze. Eine Gruppe mit vier jungen Syrern machte sich am Nachmittag von dort gerade auf in Richtung Grenze. Auch sie fragen: „Germany, Police?“