Nach Sieg in Oberösterreich will FPÖ Platz eins in Wien
ÖVP und SPÖ erleiden bei der Landtagswahl eine historische Schlappe, die FPÖ ist großer Sieger. In Wien muss die SPÖ um das Bürgermeisteramt zittern.
Dem oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, als er sich Sonntagabend der Öffentlichkeit stellte. „Wir haben einen Preis bezahlt, den wir nicht verschuldet haben“, sagte er in die TV-Kameras. Zu dieser Zeit stand bereits fest, dass seine ÖVP bei der Landtagswahl rund ein Viertel ihrer Stimmen verloren hat und auf knapp 36 Prozent abgesackt ist. Noch schlimmer erwischte es die SPÖ, die ebenfalls ein Viertel ihrer Stimmen verlor und nur noch bei knapp über 18 Prozent hält. Großer Wahlsieger ist die FPÖ, die auf über 30 Prozent kam. Die Grünen legten leicht zu, die schwarz-grüne Landtagsmehrheit ist aber Geschichte. Allen Wahlanalysen zufolge war es das Asylthema, das die Wahl entschieden hat.
Das oberösterreichische Wahlergebnis erhöht die Spannung vor der Wahl in Wien, wo am 11. Oktober der Gemeinderat gewählt wird. Auch in Wien winken der FPÖ deutliche Zuwächse. Laut Umfragen ist Platz eins für die FPÖ nicht ausgeschlossen.
Wie tief die FPÖ in die Wählerschichten eingedrungen ist, zeigte eine Nachwahlanalyse von Peter Hajek (Public Opinion Strategies) im Auftrag von ATV. Demzufolge ist die FPÖ bei den Männern und bei den unter 30-Jährigen die stärkste Partei. Deutlich voran ist die ÖVP nur noch bei den Frauen und den über 50Jährigen.
Der Zulauf zur FPÖ hat den Linzer Meinungsforscher David Pfarrhofer nicht wirklich überrascht. Im SNGespräch erklärt er, warum die FPÖ auch in Wien kaum zu bremsen ist. SN: Die Flüchtlingsfrage hat die Landtagswahl in Oberösterreich völlig überlagert. Warum schafft es ausschließlich die FPÖ, Unmut und Ängste der Wähler zu kanalisieren? David Pfarrhofer: Für die FPÖ war die Flüchtlingssituation eine optimale Ausgangslage für den Landtagswahlkampf. Das ist das Thema, das die FPÖ seit Jahrzehnten fährt. Die Ängste und Sorgen sind vielleicht auch greifbar geworden: Was passiert mit den vielen Flüchtlingen? Ist es nicht schon zu viel? Dementsprechend war das ein Heimspiel für die FPÖ. Die Hände in den Schoß legen und schauen, was passiert: Das ist das, womit die Freiheitlichen immer am besten fahren. Denn üblicherweise ist es so: Je mehr Themen sie selbst einbringen, je mehr Lösungen sie bringen müssen, desto schwerer tun sie sich. Diesmal hat ihnen alles in die Hände gespielt. Das war wie Weihnachten und Ostern zusammen. SN: Was bedeutet das Ergebnis im Hinblick auf die Wien-Wahl in zwei Wochen? In Wien war die Stimmung immer deutlich knapper im Rennen um Platz eins. Jetzt ist die Hypothese die, dass Strache in Wien alle Chancen hat, auf Platz eins zu kommen. Die Gegenhypothese ist, dass das Wahlergebnis in Oberösterreich die Mobilisierungskraft der Wiener SPÖ stärkt. Also dass dieser Schuss vor den Bug in Oberösterreich dazu führt, dass diejenigen, die diesmal nicht zur Wahl gehen wollten, motiviert werden, ihr Kreuz doch noch bei der SPÖ zu machen. Aber aus jetziger Sicht würde ich sagen: Der Favorit heißt jetzt nicht mehr Häupl, sondern Strache. SN: Was heißt diese Denkzettelwahl für die Regierung? Das hängt stark von der Wien-Wahl ab. Verläuft sie so dramatisch wie in Oberösterreich, steht uns ein hei- ßer Herbst bevor. Wenn Häupl in Wien Platz eins rettet, wird alles etwas ruhiger verlaufen. Wenn nicht, kann vor allem die SPÖ nicht zur Tagesordnung übergehen. Es wird Personaldebatten geben. Um die Dramatik in Oberösterreich darzustellen: Die Partei hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert, obwohl es eine große Arbeiterschaft im Land gibt. Da unter 20 Prozent zu rutschen ist eine mehr als deftige Ohrfeige. Die Arbeiterpartei ist jetzt die FPÖ. Bei der ÖVP glaube ich eher nicht, dass viel passiert, die hat ihre Ohrfeige ja schon bekommen. In Wien kann sie nicht viel verlieren. SN: Inwiefern wird der enorme Zuspruch für die FPÖ die Positionen der Regierungsparteien verändern, vor allem, was die Asylthematik betrifft? Ich bin überzeugt, dass das, was in Oberösterreich und in zwei Wochen in Wien passiert, weit über Österreichs Grenzen hinaus beobachtet wird, weil es um eine zentrale Frage für Europa geht: Wie agiert man in der Flüchtlingskrise? Da wird nicht nur in der Bundespolitik, sondern darüber hinaus nachgedacht werden: Wie können wir reagieren und was muss passieren? Natürlich wird das die Politik beeinflussen. Die Re- gierungsparteien werden versuchen, härtere Positionen einzunehmen: Das war schon kurz vor der Wahl spürbar. Stichwort: Mehr Grenzschutz, Asyl auf Zeit. Die Parteien müssen sich überlegen, wie sie wieder glaubhafte Positionen einnehmen können. Aber das wird ja nicht zum ersten Mal diskutiert. Gelungen ist es bis dato nie. SN: Kann die FPÖ im Moment irgendetwas bremsen? Kommt die FPÖ in die Regierung, geht es in der Regel mit ihr bergab. Solange sie die Oppositionsrolle einnehmen kann, gelingt es ihr extrem gut, laut zu sein. Da ist sie per-
„Der Favorit heißt jetzt Strache.“
fekt aufgestellt. Sobald sie an den Hebeln der Macht sitzt, wird es eng. Solange die Themen also so sind wie jetzt und die FPÖ in der Opposition ist, wird es ganz schwer sein, sie zu bremsen. Dazu kommt: Stimmungen überlagern heute alles. Die Treue der Wählerschaft gegenüber Parteien gibt es nicht mehr. Die Stimmungsgesellschaft ist im Vormarsch. Das spüren wir gerade mit einer ganz gewaltigen Dynamik.
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