Die Welt jenseits von Pühringer und Häupl
Das Land wird wohl eher früher als später lernen müssen, mit Ministern vom Schlage eines Vilimsky, Kickl und Gudenus zu leben.
Die FPÖ: verdoppelt. Die ÖVP: ein Viertel ihrer Stimmen verloren. Die SPÖ: nicht mehr der Rede wert in jenem Industrieland, in dem sie einst nach dem Landeshauptmannsessel griff. Selbst Wels, die einst rote Hochburg, ist fest in blauer Hand. Die Grünen: nach zehn Jahren solider Arbeit aus der Koalition gekippt. Seit gestern ist alles anders in Oberösterreich.
Oder doch nicht? Gewiss, die politische Landkarte wurde neu gezeichnet. Doch im Grunde ist exakt das eingetreten, was allseits erwartet worden war. Europa, auch Österreich, auch Oberösterreich, erlebt derzeit eine Migrationskrise von historischen Ausmaßen, eine Krise, die auf eklatantes Politikversagen zurückzuführen ist und die bei vielen Menschen tief gehende Sorgen auslöst. Die Verantwortung für diese Krise wird, nicht zu Unrecht, jenen beiden Parteien zugemessen, die sich – in Europa ebenso wie in Österreich – seit Jahrzehnten die Macht teilen. Nämlich den Sozialdemokraten und den Christlichsozialen. Dass in einer solchen Situation die Wähler nicht gerade in hellen Scharen diesen beiden Parteien zulaufen, ist irgendwie logisch. Den Vertretern von SPÖ und ÖVP wird mehr einfallen müssen als ihre gestern in jede verfügbare TV-Kamera abgesonderte Phrase, man werde in Zukunft „die Sorgen der Menschen ernster nehmen“. Was, bitte, soll das konkret heißen?
Hätte die ÖVP nicht ihren populären Landeshauptmann Josef Pühringer ins Rennen geschickt, wäre die FPÖ unweigerlich auf Platz eins gelandet. Ebenso wie die FPÖ am 11. Oktober in Wien unweigerlich auf Platz eins landen würde, stünde nicht der bewährte Bürgermeister Michael Häupl an der Spitze der Sozialdemokraten. Die Politik ist gut beraten, sich bereits heute auf eine Zeit jenseits von Pühringer, Häupl & Co. einzustellen. Auf eine Zeit also, in der die FPÖ bei Wahlen auf Platz eins landet. Und zwar nicht bloß bei Landtagswahlen.
Die Idee, die FPÖ in diesem Fall mittels eines Zusammenschlusses der übrigen Parteien von Regierungsverantwortung fernzuhalten, mutet grotesk an. Ein politisches System, das den Erfolg einer rechtspopulistischen Partei bei demokratischen Wahlen nicht verhindern kann, wird ihr den Erfolg nicht am grünen Tisch streitig machen können. Unser Land wird möglicherweise eher früher als später lernen müssen, mit Ministern vom Schlage eines Vilimsky, Kickl und Gudenus zu leben. Die Folgen des gestrigen Tags gehen also weit über die Frage hinaus, ob sich die oberösterreichische ÖVP nun die SPÖ oder die FPÖ als Koalitionspartner anlacht.