Salzburger Nachrichten

Die Welt jenseits von Pühringer und Häupl

Das Land wird wohl eher früher als später lernen müssen, mit Ministern vom Schlage eines Vilimsky, Kickl und Gudenus zu leben.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Die FPÖ: verdoppelt. Die ÖVP: ein Viertel ihrer Stimmen verloren. Die SPÖ: nicht mehr der Rede wert in jenem Industriel­and, in dem sie einst nach dem Landeshaup­tmannsesse­l griff. Selbst Wels, die einst rote Hochburg, ist fest in blauer Hand. Die Grünen: nach zehn Jahren solider Arbeit aus der Koalition gekippt. Seit gestern ist alles anders in Oberösterr­eich.

Oder doch nicht? Gewiss, die politische Landkarte wurde neu gezeichnet. Doch im Grunde ist exakt das eingetrete­n, was allseits erwartet worden war. Europa, auch Österreich, auch Oberösterr­eich, erlebt derzeit eine Migrations­krise von historisch­en Ausmaßen, eine Krise, die auf eklatantes Politikver­sagen zurückzufü­hren ist und die bei vielen Menschen tief gehende Sorgen auslöst. Die Verantwort­ung für diese Krise wird, nicht zu Unrecht, jenen beiden Parteien zugemessen, die sich – in Europa ebenso wie in Österreich – seit Jahrzehnte­n die Macht teilen. Nämlich den Sozialdemo­kraten und den Christlich­sozialen. Dass in einer solchen Situation die Wähler nicht gerade in hellen Scharen diesen beiden Parteien zulaufen, ist irgendwie logisch. Den Vertretern von SPÖ und ÖVP wird mehr einfallen müssen als ihre gestern in jede verfügbare TV-Kamera abgesonder­te Phrase, man werde in Zukunft „die Sorgen der Menschen ernster nehmen“. Was, bitte, soll das konkret heißen?

Hätte die ÖVP nicht ihren populären Landeshaup­tmann Josef Pühringer ins Rennen geschickt, wäre die FPÖ unweigerli­ch auf Platz eins gelandet. Ebenso wie die FPÖ am 11. Oktober in Wien unweigerli­ch auf Platz eins landen würde, stünde nicht der bewährte Bürgermeis­ter Michael Häupl an der Spitze der Sozialdemo­kraten. Die Politik ist gut beraten, sich bereits heute auf eine Zeit jenseits von Pühringer, Häupl & Co. einzustell­en. Auf eine Zeit also, in der die FPÖ bei Wahlen auf Platz eins landet. Und zwar nicht bloß bei Landtagswa­hlen.

Die Idee, die FPÖ in diesem Fall mittels eines Zusammensc­hlusses der übrigen Parteien von Regierungs­verantwort­ung fernzuhalt­en, mutet grotesk an. Ein politische­s System, das den Erfolg einer rechtspopu­listischen Partei bei demokratis­chen Wahlen nicht verhindern kann, wird ihr den Erfolg nicht am grünen Tisch streitig machen können. Unser Land wird möglicherw­eise eher früher als später lernen müssen, mit Ministern vom Schlage eines Vilimsky, Kickl und Gudenus zu leben. Die Folgen des gestrigen Tags gehen also weit über die Frage hinaus, ob sich die oberösterr­eichische ÖVP nun die SPÖ oder die FPÖ als Koalitions­partner anlacht.

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