Der Bösewicht sagt über Bond kein Wort
Christoph Waltz referiert in Zürich über die Lust aufs Regieführen, über das finanzielle Risiko – nur über Bond muss er schweigen.
ZÜRICH. Spannend war, was ungesagt blieb: Christoph Waltz, vom Zürich Filmfestival und einem Uhrmacherunternehmen als Ehrengast geladen, sprach vor Fachpublikum über seine Karriere („Schauspielerei war das Letzte, was ich wollte“), gab Ratschläge für angehende Schauspieltalente („Tu es nicht!“) und erzählte, wie er von seiner späteren Oscarrolle in „Inglourious Basterds“erfuhr („Ich war auf Urlaub in der Toskana und stand barfuß auf einer Distel, als mich der Anruf erreichte“).
Worüber er nicht sprach: über seine Rolle als Bond-Bösewicht Oberhauser, denn alles, was „James Bond: Spectre“angeht, soll bis zum Filmstart am 6. November geheim bleiben.
Waltz wird wohl auch im Duell gegen Bond erneut treuherzig-diabolisch lächeln, doch zu Details hält er sich vertragsgemäß bedeckt, obwohl gerade das die Gerüchteküche anheizt: „Durch digitale Weiterverbreitung wird jede Kleinigkeit sensationalisiert, dabei ist ekstatische Verbreitung sogenannter News einfach selbst ein Geschäft.“
Stattdessen erzählte Waltz vom Anfang der 1980er am Zürcher Schauspielhaus. Es war sein erstes ernsthaftes Bühnenengagement. Seine liebste Erinnerung an die Stadt ist ein Sprayer, dessen Schöpfungen die ganze Stadt bevölkerten, „bis er von der Polizei verhaftet wurde. All seine wunderbaren Kreaturen verschwanden, alles wurde sauber geputzt.“Waltz hat sichtlich Vergnügen daran, Erwartungen zu unterlaufen, und bringt dabei seinen Gesprächspartner immer wieder aus dem Konzept – ausgerechnet den Geschäftsführer jenes Uhrmacherunternehmens, dessen „Markenbotschafter“Waltz auch ist. Dass er sich hier auf die Bühne setzt zum launigen Gespräch mit einem der Hauptsponsoren des Festivals, mag Zweifel an seiner künstlerischen Integrität wecken. Doch Waltz ist ganz offen, wenn er als Begründung für seine Rollenauswahl nach inhaltlichen und künstlerischen Kriterien auch das Geld er- wähnt: „Würde ich nicht bezahlt, müsste ich etwas anderes arbeiten.“
Derzeit bereitet er das Krimidrama „Worst Marriage in Georgetown“vor, bei dem er Regie führen wird. Er spielt darin den Hochstapler und Mörder Albrecht Muth, eine weitere Gelegenheit für die bewährte Waltz-Melange aus Charisma und Terror. „Natürlich spiele ich mit, so habe ich den Film ja finanziert. Wer würde mir sonst eine Regie anvertrauen?“Waltz argumentiert pragmatisch: „Filmemachen ist eine sehr teure Sache. Es gibt keine Garantie, dass Finanziers ihr Geld wiedersehen, geschweige denn Gewinn machen. Da einfach zu sagen: ,Ich bin Künstler, mir ist das Geld egal‘, geht nicht. Dann mal halt ein Bild bei dir zu Hause!“
Finanzielle Motive witterte Waltz auch, als er die Einladung zum Vorsprechen für „Inglourious Basterds“bekam, der beim Festival in Zürich wiederaufgeführt wurde: „Oft kommen US-Filmproduktionen nur nach Europa, um hier das Fördersystem zu nutzen. Da wird pro forma ein Vorsprechen organisiert, nicht um wirklich europäische Schauspieler zu finden, sondern nur um die Förderung zu kassieren und dann zu sagen: ,Sorry, wir haben niemand Passenden gefunden, wir müssen unsere eigenen Leute nehmen.‘“Auch als die Anfrage von Tarantino kam, vermutete Waltz eine solche Scharade. „Auf Bitte meines Agenten bin ich dann doch hingegangen, und dort saß dann Tarantino selbst. Ein paar Tage später hat er mich nochmals zum Vorsprechen gebeten. Und das war’s.“
In Zürich ist Geld Dauerthema, nicht nur für Festivalbesucher aus dem Euroausland, die sich jede Pizzaschnitte drei Mal überlegen müssen. Es ist spürbar, wie verhältnismäßig reich das Festival ist, mit einem Budget von sieben Millionen Franken (ca. dem Doppelten der Viennale), das zu 80% durch Sponsoren finanziert ist, und wie großzügig Gäste und Stars umsorgt werden. Dass für Galapremieren nicht unbedingt nur die besten Filme ausgewählt werden, sondern vor allem jene mit möglichst prominenten Beteiligten und kleinere Filme eher untergehen und dass ein Gespräch mit einem Filmschauspieler wie Waltz nicht von einem Kinoprofi, sondern einem Unternehmer geführt wird, ist ein Zugeständnis, das anderswo Fragen aufwerfen würde. In Zürich passt das zusammen.
„Natürlich spiele ich mit. – Wer würde mir sonst eine Regie anvertrauen?“