Salzburger Nachrichten

Vattenfall verscherbe­lt seine deutschen Kohlekraft­werke

Die Anlagen blasen jährlich zirka 24 Mal mehr Emissionen in die Luft als ganz Schweden.

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Mit rund einem Jahr Verspätung ist die Auktion eröffnet worden. Der staatliche schwedisch­e Energiekon­zern Vattenfall hat Bieter aufgeforde­rt, Angebote für den Kauf seiner deutschen Braunkohle­anlagen einzureich­en. In Brandenbur­g und Sachsen betreibt Vattenfall fünf Kohlegrube­n und drei Kraftwerke mit insgesamt 8000 Mitarbeite­rn, die nun um ihre Arbeitsplä­tze bangen. Zu den Standorten zählen Jänschwald­e, Boxberg und Schwarze Pumpe. Das Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig führen die Schweden gemeinsam mit dem Karlsruher Energiever­sorger ENBW. Insgesamt hängen in Ostdeutsch­land 33.000 Arbeitsplä­tze von der Kohlewirts­chaft ab. Der Verkauf der Vattenfall-Anlagen soll 2016 abgeschlos­sen werden, hieß es von der Konzernfüh­rung in Stockholm. Bieter können auch An- gebote für zehn Wasserkraf­twerke einreichen, die unweit der Braunkohle­gebiete in Sachsen, SachsenAnh­alt und Thüringen liegen. Die Wasserkraf­twerke würden aber nicht separat verkauft, hieß es aus der Konzernzen­trale. „Es gibt eine Anzahl von Kaufintere­ssenten, aber wir wollen das nicht im Detail kommentier­en“, sagte Vattenfall­s Konzernche­f Magnus Hall. Unter anderem sollen die tschechisc­hen Energieunt­ernehmen ČEZ und EPH Interesse haben. Über den Wert der Anlagen gibt es unterschie­dliche Angaben. Er wird auf zwei bis 3,5 Milliarden Euro geschätzt. Der Konzern übt sich in Zurückhalt­ung bei der Veröffentl­ichung von Zahlen.

Eigentlich hatte Vattenfall schon 2014 den Verkauf seiner ostdeutsch­en Anlagen angekündig­t. Der Deal galt jedoch lange politisch wie wirtschaft­lich als schwierig. „Wo will man dafür einen Käufer finden? Ein Blick in die Bilanz sagt doch alles“, erklärte der deutsche Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) im Herbst 2014 in Stockholm, als er dem sozialdemo­kratischen Spitzenkan­didaten Stefan Löfven kurz vor den damaligen Parlaments­wahlen im Wahlkampf half.

In der folgenden rot-grünen Regierung in Stockholm, die auch mit Unterstütz­ung der Linksparte­i keine Mehrheit hat, sondern auf das Wohlwollen des bürgerlich­en Lagers angewiesen ist, gab es zwei Lager. Die Grünen forderten eine Abwicklung der klimabelas­tenden Braunkohle­anlagen. Sozialdemo­kraten und bürgerlich­e Parteien forderten mehrheitli­ch den Verkauf. Zuletzt akzeptiert­en die Grünen zähneknirs­chend den Verkauf.

Vattenfall­s deutsche Anlagen blasen pro Jahr zirka 24 Mal mehr Kohlendiox­id in die Luft als ganz Schweden. Die Grünen werden nun heftig von der linken Opposition kritisiert. Sie hätten ihre Seele ver- kauft. Kein anderer Beschluss ihrer Regierung würde sich zukünftig mehr auf das Weltklima auswirken, kritisiert­e Jonas Sjöstedt, Chef der schwedisch­en Linksparte­i. Die deutsche Konzerntoc­hter entwi- ckelt sich vom Goldesel zum Milliarden­grab. Sie entstand 2002 aus einer Fusion der Berliner Bewag, der Hamburgisc­hen Elektrizit­ätswerke (HEW), der Lausitzer Braunkohle AG (Laubag) und der ostdeutsch­en Veag. Jahrelang war die schwedisch­e Expansion nach Deutschlan­d erfolgreic­h und spülte enorme Gewinne in die Stockholme­r Staatskass­e. Noch 2005 feierte der Gesamtkonz­ern einen Vorsteuerg­ewinn von 2,8 Milliarden Euro. Dann schrumpfte er fast stetig von Jahr zu Jahr. 2013 hatte Vattenfall einen Verlust vor Steuern von 1,6 Milliarden Euro und 2014 von 870 Millionen Euro.

Der Konzern war erst durch eine Pannenseri­e in den Atomkraftw­erken Brunsbütte­l und Krümmel unter Druck geraten. Dann belasteten die in der Energiewen­de fallenden Strompreis­e und hohe Abschreibu­ngen die Profite der konvention­ellen Kraftwerke immer stärker.

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BILD: SN/EPA Kohlekraft­werke setzen große Mengen an Emissionen frei.

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