Der Nobelpreis steht im Büro
Zugegeben, es ist nicht der echte Nobelpreis. Macht aber nichts. Elisabeth Oberzaucher und ihr Kollege berechneten die Zeugungsfähigkeit eines Sultans – und wurden ausgezeichnet.
Elisabeth Oberzaucher steht noch unter dem Eindruck der Verleihung des Ig-Nobelpreises an der amerikanischen Elite-Universität Harvard. Der Name ist ein Wortspiel, das auf den englischen Ausdruck „ignoble“zurückgeht und etwa „unwürdig“bedeutet. Es ist eine Auszeichnung, die wissenschaftliche Leistungen ehrt, die „Menschen zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen“.
Diesem Kriterium entsprach die Forschung von Oberzaucher und ihrem Kollegen Karl Grammer vom Anthropologischen Department der Universität Wien: Sie rechneten aus, ob der marokkanische Sultan Mulai Ismail zwischen 1697 und 1727 tatsächlich 888 Kinder gezeugt haben kann, wie es in Überlieferungen heißt. „Er müsste jeden Tag seines Lebens ein bis zwei Mal Sex gehabt haben“, sagt Oberzaucher.
Im Gegensatz zu anderen Wissenschaftern hatten die Wiener Forscher ihr Projekt nicht selbst für den Preis eingereicht, sondern wurden von einer Fachjury ausgewählt. „Als mich frühmorgens der Anruf erreichte, dachte ich erst, das könne nicht stimmen“, sagt Oberzaucher. Doch ein nachfolgendes E-Mail überzeugte sie. Die gebürtige Kärntnerin reiste in die USA, um sich die Auszeichnung abzuholen. „Es war ein fantastisches Erlebnis, ich habe großartige Menschen getroffen“, erzählt sie. Der Preis besteht aus einem Blumentopf, der nun in ihrem Büro steht. Im Le- ben von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern ist der Alltag ansonsten eher vom Kampf um Forschungsgelder und dem Verfassen von Publikationen dominiert. „Da bleibt wenig Zeit, um nachzudenken und etwas zu tun, das nicht auf den ersten Blick zu vorhersehbaren Erfolgen führt. Diese Freiheit muss man sich mühsam erkämpfen“, sagt die studierte Biologin und gelernte Zoologin. „Mir bereitet das große Freude, weil es den Mut belohnt, Dinge zu tun, die nicht jeder macht. Es ist ein schöner Preis.“
Die Themen ihrer Forschung reichen weit: Ihr Hauptaugenmerk gilt der Stadtforschung mit evolutionsbiologischem Hintergrund. „Es geht darum, wie wir Städte und die städtische Umwelt so gestalten können, dass es den Menschen dort gut geht.“Oberzaucher forschte aber auch zur Entstehung von Körpergeruch oder über Freundschaften. „Es ist mein größtes Problem, dass ich mich für so viele Themen interessiere und dabei stoße ich auf viele Fragestellungen.“
Als sie mit dem Biologiestudium begann, galt ihr Interesse zuerst den Tieren. Sie untersuchte das Verhalten von Ameisen und deren Entscheidungsprozesse – etwa, wie lang die Tiere sammeln und was sie in den Bau bringen. „Dann bin ich beim Menschen gelandet. Dessen Verhalten ist ein sehr komplexer Themenbereich.“Auch heute sei die Motivation vieler Biologiestudierender eindeutig: „Sie wollen etwas zur Wissenschaft beitragen und die Welt so zu einem besseren Ort machen.“
Der Ig-Nobpelpreis will den Menschen Wissenschaft und Forschung näherbringen. Das will auch Oberzaucher: „Ich sehe das als eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft. Unsere Gehälter werden aus Steuergeldern bezahlt und wir müssen den Menschen vermitteln, was wir tun – und dafür eine verständliche Sprache benutzen.“Sie habe das Glück, über das menschliche Verhalten zu forschen; hier könne jeder einen Bezug herstellen. „Für viele andere Kollegen ist es aber schwierig, diese Brücke zu bauen.“
Als Wissenschafterin ist Oberzaucher gelegentlich mit zutiefst menschlichem Verhalten konfrontiert – mit Vorurteilen: „Viele Leute sagen zu mir: ,Oh, jetzt werde ich analysiert.‘“Das lasse sich aber schnell entkräften: Sie interessiere sich nämlich viel mehr für allgemeine Verhaltenstendenzen als für Einzelfälle.
Oberzaucher liebt ihre Arbeit und nimmt Überstunden und Nachtschichten in Kauf, wenn ein wichtiger Abgabetermin ansteht. Ihre – wohl spärliche – Freizeit verbringt sie dann am liebsten mit Wandern, Radfahren oder Schwimmen. Sie liest auch leidenschaftlich gern – und zwar „alles, was ich in die Finger bekomme“.
Was ihre eigene Universitätskarriere betrifft, ist Oberzaucher bescheiden: „Ich bin an einem Punkt, bis zu dem es noch viele Frauen schaffen. Dünner wird es dann etwa bei ordentlichen Professuren.“Es werde noch lang dauern, bis an Universitäten ein ausgeglichenes Verhältnis herrsche, sagt die Forscherin.