Salzburger Nachrichten

In Salzburger Konzerten geben Pianisten den Ton an

- SALZBURG.

Er kam aus Kärnten, man sah (oder besser: hörte) ihn – und er siegte doch nicht: Beim Warschauer Chopin-Wettbewerb 2010 reichte es für Ingolf Wunder nur für den zweiten Platz, nach Meinung vieler eine Fehlentsch­eidung.

Er selbst, Jahrgang 1985, ist ohnedies kein Wettbewerb­stiger. Jugendkonk­urrenzen kann er etwas abgewinnen, weil sie ermöglicht­en, Talente vor größerem Publikum zeigen zu können. Sonst aber sieht sich der aus Klagenfurt stammende 30-Jährige, der erst im vergleichs­weise hohen Alter von 14 Jahren definitiv zum Klavier fand, als ehrlicher, treuer Diener der Musik.

Auf einer neuen CD huldigt Ingolf Wunder auf sehr eigenständ­ige Art seinen Heroen: Chopin und Liszt – und er erweist seiner deklariert­en Lieblingss­tadt Warschau Reverenz. Mit dem Warsaw Philharmon­ic Orchestra unter Jacek Kaspszyk, das durchaus ein eigenes Klangaroma besitzt, spielte er Chopins 2. Klavierkon­zert, Andante spianato und Grande Polonaise brillante und zwei Raritäten von Gewicht ein: das Allegro de Concert als ersten Satz zu einem nie vollendete­n 3. Klavierkon­zert von Chopin, dem Wunder eine eigene Instrument­ation angedeihen ließ, und das markig-zackige Hexameron von Franz Liszt. Nie steht dabei nur der virtuose Effekt im Vordergrun­d, stets sucht Ingolf Wunder den natürliche­n Erzählflus­s, einen organisch wachsenden und selbst noch in den filigranen Arabesken rhetorisch gut fokussiert­en Vortrag mit feinem Stilempfin­den.

Das kommt auch den Hinter- und Untergründ­igkeiten von Tschaikows­kys immer falsch als pianistisc­hes Schlachtro­ss aufgezäumt­em b-Moll-Klavierkon­zert zugute, mit dem der junge Pianist in dieser Wo- che auch im Großen Festspielh­aus zu hören sein wird. Als schönen Kontrast in diesen drei Abonnement­konzerten der Salzburger Kulturvere­inigung mit der NDR-Radiophilh­armonie unter Andrew Manze kann man das G-Dur-Konzert von Beethoven erleben. Piotr Anderszews­ki, der mit seinem Soloprogra­mm einmal zeitgleich – was haben sich da die Veranstalt­er wieder gedacht? – bei der Stiftung Mozarteum gastiert, kombiniert so eigenwilli­g wie sinnvoll Werke von Bach mit Karol Szymanowsk­i („Metopes“) und Schumann („GeisterVar­iationen“). Nach einem Sabbatical tritt der polnische Meisterpia­nist wieder auf und seine Wiederkehr im Musikbetri­eb wird gleich gefeiert. Reifer sei er geworden, der Tüftler und Denker, Grübler und Zweifler, der feinfühlig­e Anschlagsk­ünstler, der jeden Ton mit höchstem Bedacht modelliert, der eigensinni­ge Programmar­chitekt, der konstrukti­v und sinnlich zugleich vorgeht. Jeder seiner hoch reflektier­ten Klavierabe­nde ist ein Abenteuer, ein ganz eigenes Vergnügen für Hirn und Herz, Kopf und Sinne. Darauf sollte man sich neugierig und konzentrie­rt einlassen.

Konzerte:

CD:

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BILD: SN/DG/WALTER Ingolf Wunder
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BILD: SN/ISM/KMIURA Piotr Anderszews­ki
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