Schimpansen leiden unter dem Verlust der Mutter
Die Affen haben Defizite in ihren Sozialbeziehungen. Forscher kannten solche Traumata zuvor nur bei Menschen.
Zwischen 1950 und 1980 wurden Tausende wild lebende Schimpansenkinder in Westafrika nach Europa, Japan und die USA exportiert, wo sie vor allem in der biomedizinischen Forschung eingesetzt wurden. Aber auch die Gründerpopulationen vieler Zoos bestehen aus Schimpansen, die zuvor in freier Wildbahn gelebt hatten. Diese verwaisten Schimpansen haben noch als Erwachsene Defizite im Sozialverhalten. Das stellten Forscher aus Österreich und den Niederlanden fest. Bis jetzt waren langfristige Auswirkungen frühkindlicher traumatischer Erfahrungen auf das Sozialverhalten lediglich bei Menschen und bei langjährig sozial isolierten bekannt.
Die Wissenschafter wiesen nach, dass Schimpansen, die innerhalb der ersten beiden Lebensjahre von ihren Müttern getrennt wurden, noch Jahrzehnte später in ihrem sozialen Fellpflegeverhalten eingeschränkt waren. Soziale Fellpflege spielt eine wichtige Rolle für den Aufbau und Erhalt sozialer Beziehungen innerhalb von Schimpansengruppen, wie Elfriede KalcherSommersguter von der Universität Graz berichtet: „Die verwaisten Schimpansen hatten weniger Partner, denen sie das Fell pflegten, und waren auch weniger aktiv im Vergleich zu Schimpansen, die mit ihren
Laborschimpansen Müttern aufwuchsen.“Diese Defizite in der sozialen Fellpflege zeigten sich nicht nur bei Schimpansenwaisen, die jahrzehntelang in einem Labor einzeln gehalten wurden, bevor man sie resozialisierte, sondern auch bei jenen Individuen, die nach der Trennung von ihren Müttern in sozialen Gruppen in Zoos gelebt hatten. „Der Verlust der Mutter in früher Kindheit wirkt sich bei Schimpansen gravierend auf spätere Sozialbeziehungen aus: Selbst Schimpansen, die seit rund 40 Jahren in einer Gruppe lebten, zeigten diese Defizite“, sagt Jorg Massen von der Universität Wien.
Die Arbeit erschien in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“.