Salzburger Nachrichten

Die Koalition wahrt ihr Gesicht

Mit dem Entwurf für eine Bildungsre­form hat die Regierung ein Lebenszeic­hen von sich gegeben. Immerhin.

- Alexander Purger

Kaum jemand hätte es der schwer angeschlag­enen Koalition zugetraut, in Sachen Bildungsre­form etwas Nennenswer­tes zustande zu bringen. Insofern ist die nun vorliegend­e Absichtser­klärung (mehr ist es ja noch nicht) eine positive Überraschu­ng.

In dem Reformpapi­er finden sich zahlreiche gute Ansätze, wie die Aufwertung des Kindergart­ens, was vor allem für die Deutschken­ntnisse von Zuwanderer­kindern nur gut sein kann. Auch der geplante Ausbau der Schulauton­omie weist in die richtige Richtung. Das Gleiche gilt für die versproche­ne Entpolitis­ierung der Direktoren­bestellung und die Abschaffun­g der parteipoli­tisch besetzten Landesschu­lräte.

Zwei Hürden für eine Einigung wurden von SPÖ und ÖVP durch klassische großkoalit­ionäre Kompromiss­e genommen. Die erste Hürde war die Gesamtschu­le. Zu deren weiterer Erprobung werden nun „Modellregi­onen“in den Ländern erlaubt, die allerdings nur 15 Prozent der dortigen Schulen (dafür aber auch gegen deren Willen!) umfassen dürfen. Gymnasien und Privatschu­len bleiben daneben weiter bestehen. Damit können beide Regierungs­parteien ihr Gesicht wahren. Die erste Überprüfun­g der Erfahrunge­n in den „Modellregi­onen“soll 2025 stattfinde­n, womit die Koalition ihr ideologisc­hes Streitthem­a für die nächsten zehn Jahre entschärft hat.

Die zweite Hürde war die Schulverwa­ltung. Hier wird nun eine gemischte Behörde von Bund und Ländern geschaffen, die zwar den Verfassung­srechtlern noch schlaflose Nächte bereiten wird, aber wiederum beiden Seiten – in diesem Fall dem Bund und den Ländern – die Gesichtswa­hrung ermöglicht.

Man könnte nun einwenden (und Kritiker von allen Seiten tun dies auch), dass eine große Reform mehr bringen müsse als gewahrte Gesichter. Das stimmt. Aber man ist bescheiden geworden. Die Regierung ist an den großen Klippen nicht zerschellt, sondern hat sie halbwegs elegant umschifft, und erzielte dafür Fortschrit­te im Kleinen. Mehr konnte man von ihr nicht erwarten.

Vieles bleibt in diesem Reformpapi­er offen. Etwa die Frage nach den Kosten des zweiten verpflicht­enden Kindergart­enjahres. Oder die Frage, ob es nicht ein neues Dienstrech­t braucht, wenn ein Schuldirek­tor schlechte Lehrer künftig ausbooten darf.

Was sich in der Schulrefor­m nicht findet, ist ein Hinweis auf die wichtige Rolle, die den Eltern zufällt. An ihnen liegt es, ihren Kindern durch persönlich­es Vorbild die Faszinatio­n von Bildung und Kultur zu vermitteln. Verantwort­ungsvolle Eltern tun das.

ALEXANDER.PURGER@SALZBURG.COM

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