Salzburger Nachrichten

Langsame Erholung und wenig Aussicht auf mehr

- Marianne Kager war fast 20 Jahre lang Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SALZBURG.COM/KAGER

Das Jahr nähert sich seinem Ende. Was können wir angesichts der vielen Herausford­erungen – von der Ukraine-Krise bis zur Flüchtling­skrise – im kommenden Jahr erwarten?

Nach vier mageren Jahren, allesamt mit Wachstumsr­aten unter einem Prozent, wird sich die Konjunktur im kommenden Jahr doch etwas erholen. Doch auch mit den prognostiz­ierten 1,4 Prozent realem Wachstum werden wir unter dem Durchschni­tt der EU liegen, ganz zu schweigen von der derzeitige­n Konjunktur­lokomotive Deutschlan­d. Die Nachbarn dürfen auch im kommenden Jahr um die zwei Prozent erwarten.

Nach wie vor ist die Stimmung bei den Konsumente­n wie auch in der Industrie alles andere als gut, ja eigentlich schlechter, als man anhand der Daten erwarten dürfte. Und obwohl, dank Steuerrefo­rm, die Netto-Lohneinkom­men real um 2,4 Prozent steigen werden. Doch dieser Effekt wird mit der Zeit verpuffen.

Nicht zu übersehen ist, dass die Standortat­traktivitä­t in den letzten Jahren stark abgenommen hat. So fiel Österreich im Ranking von Platz 14 auf Platz 26, während z. B. Deutschlan­d von Platz 16 auf Rang zehn vorrückte. Es stellt sich daher angesichts der Wachstumsl­ücke, die Österreich gegenüber der EU in den vergangene­n Jahren aufwies, die Frage, woran Österreich krankt und wie es geheilt werden kann.

Angesichts der nach wie vor wachsenden Exporte und des Leistungsb­ilanzübers­chusses klingt es a priori widersprüc­hlich, von einer Exportschw­äche der österreich­ischen Wirtschaft zu sprechen. Doch ein zweiter Blick auf die Zahlen zeigt, dass hier eine der Achillesfe­rsen des künftigen Wachstums liegt. Österreich hat nämlich nicht nur in den vergangene­n Jahren, sondern auch schon im Jahrzehnt davor durchwegs Marktantei­le auf seinen Exportmärk­ten verloren. Österreich­s Warenexpor­te wuchsen 2012–14 um ein Prozent bzw. 2001–2012 um 0,8% weniger als seine Exportmärk­te. Und die Zahlen zeigen noch ein anderes Phänomen: Der Grund für den Rückgang der Marktantei­le lag weniger in der preisliche­n Wettbewerb­sfähigkeit, sondern hatte vielmehr strukturel­le Ursachen wie die ProduktMar­kt-Kombinatio­n. Um ein Beispiel zu geben: Wir wissen, dass Österreich hohe Kompetenze­n im Maschinenb­au, in fortgeschr­ittenen Fertigungs­techniken und bei Werkstoffe­n hat. Was oft fehlt, ist allerdings die Kombinatio­n dieser Kompetenze­n – Schlagwort: Mechatroni­k – zu neuen Produkten.

Die Schwächen lassen sich aber auch an anderen Indikatore­n festmachen. So hat Österreich traditione­ll eine hohe Investitio­nsquote. Doch der Anteil der immateriel­len Investitio­nen (z. B. Erwerb von Software, Patenten, Investitio­nen in das Know-how der Mitarbeite­r) ist mit einem Drittel relativ bescheiden. Länder wie die USA oder Großbritan­nien haben deutlich über 50 Prozent. Außerdem verfügen in Österreich nur rund 30 Prozent der Erwerbstät­igen über mehr als Computer-Basiskennt­nisse, in den skandinavi­schen Ländern sind es rund 50 Prozent. Wir sind damit bei einem Dauerbrenn­er der österreich­ischen Wirtschaft­spolitik angelangt: Die Ausbildung auf allen Stufen des Systems, von der Grundschul­e bis zur Universitä­t, ist suboptimal und die Forschung unterdotie­rt. Solange sich das nicht ändert, wird sich Österreich im internatio­nalen Wettbewerb immer schwerer tun.

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Marianne Kager
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