Langsame Erholung und wenig Aussicht auf mehr
Das Jahr nähert sich seinem Ende. Was können wir angesichts der vielen Herausforderungen – von der Ukraine-Krise bis zur Flüchtlingskrise – im kommenden Jahr erwarten?
Nach vier mageren Jahren, allesamt mit Wachstumsraten unter einem Prozent, wird sich die Konjunktur im kommenden Jahr doch etwas erholen. Doch auch mit den prognostizierten 1,4 Prozent realem Wachstum werden wir unter dem Durchschnitt der EU liegen, ganz zu schweigen von der derzeitigen Konjunkturlokomotive Deutschland. Die Nachbarn dürfen auch im kommenden Jahr um die zwei Prozent erwarten.
Nach wie vor ist die Stimmung bei den Konsumenten wie auch in der Industrie alles andere als gut, ja eigentlich schlechter, als man anhand der Daten erwarten dürfte. Und obwohl, dank Steuerreform, die Netto-Lohneinkommen real um 2,4 Prozent steigen werden. Doch dieser Effekt wird mit der Zeit verpuffen.
Nicht zu übersehen ist, dass die Standortattraktivität in den letzten Jahren stark abgenommen hat. So fiel Österreich im Ranking von Platz 14 auf Platz 26, während z. B. Deutschland von Platz 16 auf Rang zehn vorrückte. Es stellt sich daher angesichts der Wachstumslücke, die Österreich gegenüber der EU in den vergangenen Jahren aufwies, die Frage, woran Österreich krankt und wie es geheilt werden kann.
Angesichts der nach wie vor wachsenden Exporte und des Leistungsbilanzüberschusses klingt es a priori widersprüchlich, von einer Exportschwäche der österreichischen Wirtschaft zu sprechen. Doch ein zweiter Blick auf die Zahlen zeigt, dass hier eine der Achillesfersen des künftigen Wachstums liegt. Österreich hat nämlich nicht nur in den vergangenen Jahren, sondern auch schon im Jahrzehnt davor durchwegs Marktanteile auf seinen Exportmärkten verloren. Österreichs Warenexporte wuchsen 2012–14 um ein Prozent bzw. 2001–2012 um 0,8% weniger als seine Exportmärkte. Und die Zahlen zeigen noch ein anderes Phänomen: Der Grund für den Rückgang der Marktanteile lag weniger in der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, sondern hatte vielmehr strukturelle Ursachen wie die ProduktMarkt-Kombination. Um ein Beispiel zu geben: Wir wissen, dass Österreich hohe Kompetenzen im Maschinenbau, in fortgeschrittenen Fertigungstechniken und bei Werkstoffen hat. Was oft fehlt, ist allerdings die Kombination dieser Kompetenzen – Schlagwort: Mechatronik – zu neuen Produkten.
Die Schwächen lassen sich aber auch an anderen Indikatoren festmachen. So hat Österreich traditionell eine hohe Investitionsquote. Doch der Anteil der immateriellen Investitionen (z. B. Erwerb von Software, Patenten, Investitionen in das Know-how der Mitarbeiter) ist mit einem Drittel relativ bescheiden. Länder wie die USA oder Großbritannien haben deutlich über 50 Prozent. Außerdem verfügen in Österreich nur rund 30 Prozent der Erwerbstätigen über mehr als Computer-Basiskenntnisse, in den skandinavischen Ländern sind es rund 50 Prozent. Wir sind damit bei einem Dauerbrenner der österreichischen Wirtschaftspolitik angelangt: Die Ausbildung auf allen Stufen des Systems, von der Grundschule bis zur Universität, ist suboptimal und die Forschung unterdotiert. Solange sich das nicht ändert, wird sich Österreich im internationalen Wettbewerb immer schwerer tun.