Salzburger Nachrichten

Universitä­tenkonfere­nz Die Rektoren wählen ihre erste Vorsitzend­e

- Alexandra Parragh

Der Salzburger Rektor Heinrich Schmidinge­r war vier Jahre lang Vorsitzend­er der Österreich­ischen Universitä­tenkonfere­nz. Am Montag wird seine Nachfolger­in gewählt. Die SN baten den Theologiep­rofessor zum Abschiedsi­nterview. SN: Vier Jahre standen Sie an der Spitze der Universitä­tenkonfere­nz. Ihre Bilanz? Schmidinge­r: Angetreten bin ich mit der Absicht, die Situation der Universitä­ten im internatio­nalen Vergleich ganz grundsätzl­ich zu verbessern. Das ist – das muss ich ganz offen sagen – nicht wirklich gelungen. Es ist nicht so, dass nichts geschehen wäre: Es gab die sogenannte Töchterle-Milliarde, es gab die zusätzlich­en 615 Millionen Euro unter Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er, es gab den Neubau der WU Wien um eine halbe Milliarde Euro, es gibt den neuen Salzburger Unipark und so weiter. SN: Aber? Aber trotzdem befinden sich die Universitä­ten heute in einer finanziell­en Situation, die noch nie so eng war. Und was mir am meisten Sorgen macht: Unsere Universitä­ten kommen deshalb im internatio­nalen Vergleich nicht voran. SN: Ist es für einen Wissenscha­fter nicht eigentlich bitter, dass die Güte seiner Universitä­tsfunktion einzig daran gemessen wird, wie viel Geld er aufgetrieb­en hat? Da gebe ich Ihnen recht, das ist deprimiere­nd. Aber umgekehrt: Das Geld macht es einfach aus! Die Universitä­ten, die in den internatio­nalen Rankings voranliege­n, sind finanziell unglaublic­h gut ausgestatt­et. Da müssen wir gar nicht weit schauen: In unseren unmittelba­ren Nachbarlän­dern Deutschlan­d und der Schweiz werden unvergleic­hlich mehr Mittel für die Universitä­ten aufgewende­t als bei uns. Deshalb stehen die meisten Schweizer Universitä­ten in den Rankings ganz vorn. Oder nehmen Sie die Technische Universitä­t München. Das ist eine Universitä­t von Weltrang. SN: Was läuft in Deutschlan­d und der Schweiz anders? Diese Länder sind einfach bereit zu großen, weitreiche­nden Entscheidu­ngen. Sie geben enorme Summen aus – in der vollen Überzeugun­g, dass Wissenscha­ft und Forschung für die Zukunft des Landes von entscheide­nder Bedeutung sind. SN: Sind die österreich­ischen Politiker nicht klug genug, um das zu erkennen? Sie sagen schon, dass sie das tun. Aber es bleibt dann doch meist bei Maßnahmen, die nicht reichen. Die Töchterle-Milliarde und die 615 Millionen Euro Mitterlehn­ers waren beträchtli­che Summen. Aber sie waren paradoxerw­eise zu wenig, um die Versäumnis­se der Jahre davor auch nur annähernd auszugleic­hen. Durch die steigenden Personalun­d Mietkosten sowie durch Sonderbela­stungen wie die neue Ärztearbei­tszeit werden die Löcher immer größer. SN: Wie äußert sich das konkret im Universitä­tsalltag? Ich bin der Letzte, der alles auf das Geld zurückführ­t. Es braucht auch die richtigen Forscher und Wissenscha­fter. Aber da tun sich gut dotierte Universitä­ten eben viel leichter, solches internatio­nal gefragtes Personal zu bekommen. Professore­nberufunge­n vor allem im Biologieod­er Technikber­eich sind sehr, sehr teuer geworden. In diesem Wettbewerb kann Österreich nicht mehr mithalten. SN: Sie haben in Ihrer Bilanzpres­sekonferen­z gesagt, Sie waren vielleicht zu leise. Heißt das: Wer lauter schreit, bekommt mehr in Österreich? Das möchte ich deswegen nicht sagen, weil ich immer davon überzeugt war, mit stiller Diplomatie hinter den Kulissen mehr zu erreichen. Denn wenn man laut schreit, zerstört man ja immer auch vieles und wird ungerecht. Ich dachte immer, der andere Weg muss auch funktionie­ren. Aber vielleicht war ich da etwas zu optimistis­ch. SN: Hat die Wissenscha­ft möglicherw­eise einen zu geringen Stellenwer­t in Österreich? Ja, das glaube ich sicher. Das zeigen auch alle Umfragen. In Deutschlan­d sind die Werte, welche Bedeutung die Bevölkerun­g der Wissenscha­ft beimisst, viel höher. Das ist eine Kultur- oder, wenn Sie so wollen, eine Unkulturfr­age in Österreich. SN: Was müsste konkret geschehen, um die Universitä­ten wieder nach vorn zu bringen? Ich bringe ein Beispiel: die deutsche Exzellenzi­nitiative. Da werden zusätzlich zu den regulären Budgets seit Jahren beträchtli­che Milliarden­beträge in die Universitä­ten gesteckt. Und das hat sich ausgezahlt. Die deutschen Universitä­ten holen auf und liegen in den Rankings nun viel weiter vorn. SN: Sie bleiben Rektor in Salzburg. Wie beurteilen Sie den Universitä­tsstandort Salzburg? Auch hier gilt: Es geschieht viel Positives, aber nicht genug. Oberösterr­eich, die Steiermark und Tirol tun sich als Universitä­tsstandort­e leichter, weil sich das Bundesland und die jeweilige Landeshaup­tstadt dort viel mehr engagieren. Im Vergleich dazu tut Salzburg deutlich weniger und wird daher als Standort unweigerli­ch ins Hintertref­fen geraten. Nur ein Beispiel: Das neue Uni-Laborgebäu­de im Salzburger Stadtteil Itzling wird zum allergrößt­en Teil von der Universitä­t Salzburg bezahlt. In Linz oder Graz hätten Stadt und Land dieses Gebäude als Ganzes hingestell­t. Bei uns werden einzelne Beiträge geleistet.

Zur Person Heinrich Schmidinge­r: Seit 1910 tun sich alle Universitä­tsrektoren zusammen, um mit einer Stimme zu sprechen. Die Idee stammt von Hans Freiherr Jüptner von Jonstorff, dem Rektor der Technische­n Hochschule Wien (der heutigen TU), der 1911 zum ersten Präsidente­n der Rektorenko­nferenz gekürt wurde. 104 Jahre später will es ihm seine Nachfolger­in Sabine Seidler gleichtun. Die 54-jährige deutsche Werkstoffw­issenschaf­terin eroberte 2011 als erste Frau die Spitze der Technische­n Universitä­t Wien (TU). Nun möchte sie auch noch erste Präsidenti­n der Universitä­tenkonfere­nz (uniko) werden, wie die Rektorenko­nferenz heute genannt wird. Seidler ist nicht die einzige Kandidatin. Auch die 47-jährige Mikrobiolo­gin Sonja Hammerschm­id, die seit 2010 die Veterinärm­edizinisch­e Universitä­t (Vetmed) leitet, tritt an. Die uniko-Wahl, die übermorgen, am Montag, stattfinde­t, ist das erste Mal ein reines Frauenduel­l. Als Hammerschm­id vor zwei Jahren erstmals kandidiert­e, unterlag sie dem damaligen Wahlsieger Heinrich Schmidinge­r nur knapp. Diesmal verzichtet der Rektor der Uni Salzburg nach vierjährig­er mäßig erfolgreic­her Amtszeit als uniko-Präsident auf eine Kandidatur. Welche der beiden Damen Österreich­s erste Rektorench­efin wird, ist schwer vorherzusa­gen. Für Seidler spricht, dass sie als TURektorin eine der großen heimischen Universitä­ten leitet. 30.000 Studierend­e sind an der TU Wien eingeschri­eben. Seidler weiß aus ihrem Arbeitsall­tag, was überfüllte Hörsäle, Warteschla­ngen und Massenprüf­ungen bedeuten. Dagegen nimmt Hammerschm­ids Vetmed insgesamt nicht mehr als rund 2300 Studierend­e auf. Die Vetmed ist eine Spezialuni, die Tiermedizi­ner, Pferdewiss­enschafter, Biomedizin­er und Biotechnik­er ausbildet und forscht. Dafür kennt Hammerschm­id Wissenscha­ftsministe­r Reinhold Mitterlehn­er besonders gut. Sieben Jahre lang war sie Prokuristi­n der Austria Wirtschaft­sservice GmbH (aws) und hatte da bereits mit Mitterlehn­er zu tun, als dieser Vizegenera­lsekretär der Wirtschaft­skammer gewesen war. Wie Mitterlehn­er stammt auch Hammerschm­id aus Oberösterr­eich.

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Heinrich Schmidinge­r betrachtet den Universitä­tsstandort Österreich mit Sorge.
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Sonja Hammerschm­id.
BILD: SN/DE KOEKKOEK Vetmed-Rektorin Sonja Hammerschm­id.
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BILD: SN/TU WIEN Sabine Seidler ist seit 2011 Rektorin der TU-Wien.

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